Donnerstag, 7. Juni 2012

Munich


München Karlsplatz am 6. Juni 2012 - erst am Abend kommt etwas Regen.


München - meine Traumstadt, Stadt zum Träumen, Halt- und Ruhepunkt meiner Rentner Rummelplatz-Reisen. Eine Innere Stimme lässt sich in zunehmender Klarheit vernehmen, sofern es gelingt, sich den Stimmen im Außen zu entziehen - oder besser, die Stimmen, Gefühle und Gedanken im Äußeren einfach ungefiltert und urteilslos durch sich fließen zu lassen.

Es ist wie vorgestern, als mich ein Schiff an Gibraltar entlang nach fast drei Monaten Marokko wieder nach Europa brachte, es ist wie gestern, als mich meine Walkuh, mein Wohnmobil auf dem VW-Crafter aus Polen über Prag heim schaukelte, doch es ist gestern gewesen, als mich mein München mit seinem Zauber umfing und begeisterte.


April 2012: Ein Schiff bringt mich mit meinem Wohnmobil Walkuh nach bald drei Monaten in Marokko von Tanger Med zurück ins geliebte und gelobte Europa.

Doch es ist "dahoam", wie die Eingeborenen sich in ihrem unnachbarem Idiom von uns "Zugeroasten" absetzen, doch es ist eben daheim in München unverkennbar zauberhaft heimisch - und sogar wunderschön, wenn es einmal nicht regnet. Es ist wie immer und überall: Menschen heiraten, bekommen Kinder, Menschen werden reich, arm, alt, krank, sterben. Eben das ganz gewöhnliche Leben, Alltag.

Auf der Radtour von meiner Haustür durch den Englischen Garten Richtung Innenstadt fällt in Schwabing die pompöse Hochzeitskutsche auf. Die Upper-Class zelebriert ihre Rituale, wobei dagegen nichts einzuwenden ist.


Ein Bild ist mehr als 1000 Worte, ein Ritual ist mehr als 1000 Bilder. Das Ritual, mich auf meinem bald 30 Jahre alten Fahrrad durch Städte und Landschaften zu bewegen, ist nun auch schon seit Kindesbeinen geübt und gefestigt. Dabei anzuhalten, um ein paar Bildchen zu machen, kam später dazu. Seine Gedanken schreibend zu ordnen, ist zwar früh geübt, doch es dauerte einige Zeit, bis Menschen sich per Blog im Internet einander mitzuteilen begannen. Von steinzeitlicher Wandmalerei bis zur Darstellung im Internet war es ein weiter Weg.


Wer den Baum rechts genauer betrachtet, bemerkt, dass der Chrom-Konstruktion etwas Entscheidendes fehlt: Leben. "Grau ist alle Theorie, grün ist des Lebens Baum." Dafür glänzt das Kunstgeschöpf mit seiner theoretisch-praktischen Ausgestaltung.

Reden, Reden, Reden - theoretische Ausgestaltung in allen Formen auf allen Kanälen. Wenn zudem die Theoretiker von Lebens- und Welterfahrung wenig beleckt, sich in ihren Gedankenwelten gleich Phantasten in Schönwettergärten ausmähren, sich selbst in Höchsten Tönen loben und andere dunkelst schwärzen, dann langweilt schnell das völkische Geschwätz. Was voneinander sich zuweit entfernt, kann kaum mehr miteinander reden. Nichts kann in betonierten Röhren kommunizieren. Betonköpfe brauchen nur noch ein geduldiges Publikum schafsblöder Schweigsamkeit. Gleich Hitlers Tischgesprächen schwafeln mittlerweile Wichtigtuer in Salon-Geschwätz über ihre Befindlichkeit unter Ausschluß der Wirklichkeit. Der Theorie droht, dass Soldaten wie Rebellen sie in Praxis zu tödlichen Trümmern schießen. Als Marie-Antoinette unter ihrer pfundweise mit Mehl gepuderten Perücke erfuhr, dass den Menschen Brot fehlt, flötete Madame: "Warum essen sie dann keinen Kuchen?"



Der Königliche Kunde beherrscht mittlerweile die Flaniermeilen, die dessen einzigartige Bedürfnisse befriedigen. Fleisch- wie Energie-Verbrauch gewinnen Spitzenwerte, auch wenn 500.000 Haushalte ihren Strom nicht mehr zahlen und also im Dunkel sitzen. Nur wer im Wohlstand lebt, lebt angenehm. Solange die Mehrheit im Wohlstand lebt, funktioniert die Demokratie ohne diktatorische Gewalt.



Wir bewegen uns auf geschichtsträchtigem Gelände, also auf blutgetränktem Boden: "Nach der Machtergreifung 1933 wurde die Feldherrnhalle zu einem besonderen Ort der NS-Propaganda. An der östlichen Seite wurde eine Tafel mit den Namen der seinerzeit so genannten Blutzeugen angebracht, die von einer Ehrenwache der SS geehrt wurde. Jeder Passant, der an dieser Tafel vorbei kam, war verpflichtet, diese mit dem Hitlergruß zu ehren. Die Tafel wurde nach dem Einmarsch der US-Amerikaner 1945 entfernt."

Doch wo sich die Macht, wie in München an der Feldherrnhalle konzentriert, da darf Mercedes nicht fehlen. Gleich am Platz demonstriert moderne Macht sich mit zeitgemäßen Produkten.


Mercedes-Showraum am Odeonsplatz: In der Schaufensterscheibe spiegelt sich das Treiben auf dem Platz, welches sich für ein festliches Sommerwochenende rüstet. Pracht und Pomp haben ihren Preis.



Wie der Mann mit seiner Maschine Mädchen beeindruckt, muss Mama mit Sex in the City zeigen, was sie drauf hat. Staunend bewundern die Passanten, wie die Dame mit Kind auf ihren Stiletto gewagt stoziert.




11.30 Uhr - die beste Weißwurstzeit vor 12.00 Uhr mittags. Das Polizeipräsidum liegt in München in zentraler Innenstadtlage. Auch hier - in nächster Nachbarschaft zum Marienplatz mit dem pomp-prächtigen Rathaus - zeichnet sich München durch polizeigeschichtliche Staatsgewalt aus. Wiki erzählt davon:

"Die Vorgänge rund um Demonstrationen gegen den G7-Gipfel am 6. Juli 1992 gingen als sog. Münchner Kessel in die Polizeigeschichte ein. Unter den Augen der Öffentlichkeit kesselten bis zu tausend Polizisten die friedlich demonstrierenden G-7-Gegner vor dem Kaffeehaus Dallmayr am Marienhof ein. Über mehrere Stunden wurden die Demonstranten dort festgehalten. Später zog die Polizei einzelne Demonstranten gewaltsam aus dem Kessel. Es wurde von Fußtritten und Nierenschlägen berichtet. 480 Personen wurden festgenommen und in Handschellen abgeführt. Der damalige Bayerische Ministerpräsident Max Streibl kommentierte den Vorgang mit den Worten Wenn einer glaubt, sich mit Bayern anlegen zu müssen, dann muss er wissen, dass hartes Hinlangen bayerische Art ist."

Andere schwärmen wiederum von der Libertas Bavaria, vom boarischen Leben- und Sterben-Lassen. Doch dafür braucht man Nerven und mehr noch Geld. Wer bei den Philarmonikern ausscheidet, findet vielleicht noch auf der Straße sein Auskommen und sein Publikum.



Ein wenig verschämt verbirgt der Straßenmusikant an der belebten Schanthalerstraße in der Nähe des Hauptbahnhofs sein Gesicht.



Die junge Dame ganz rechts im Bild hingegen zeigt ihrem Bewunderer modellhaft ihre Reize. Die Brunnen in München sind während des Winterhalbjahres mit Brettern abgedeckt.


Wenn "Preissen" allerdings schwach bei Kasse oder ermüdet vom Reisen sind, dann enthüllt sich ihnen kaum der spröde Zauber der Weltstadt mit Herz, des  mega-modernen Münchens. München ist mehr für Mutige.



Doch für den Mutigen in München, der Geld, Zeit und Nerven hat, für den ist der Tisch gedeckt. Wenn die Sonne scheint, gibt es im Biergarten unter schattigen Kastanienbäumen alle Herrlichkeiten dieser boarischen Braukunst mit goldbraunen Knödeln und gebratenem Schweinsbein.


Die Isar schimmert in surrealen Farben. Auf dem Kiesbett inmmitten des Flusses lassen sich Nackerte mitten in München die Haut röten und rösten.



Die Radfahrer fahren über eine luxuriöse Holzbrücke zu einer der zahlreichen Biertränken im Englischen Garten wie hier zum Aumeister.



So verdrießlich, wie der Verfasser dieser Zeilen vor einer Woche am Ufer der Moldau in Prag noch in die Kamera blickte, so fröhlich stimmt München an der Isar im Sonnenschein. Aus dem Grund raunen die Eingeborenen zwischen einem tiefen Zug aus ihren Literhumpen Bier und einem etwa faustgroßen Stück abgesäbelten Schweinsbein vor dem massigen Maul: "Dohoam is dohoam." Doch eben auch die Preissen, wenn sie denn wieder vom Urlaub oder der Durchreise durch Bayern in ihren rußgeschwärzten Elendsvierteln mit ihren musealen Klappergefährten wieder heil angekommen sind, und erstmal wieder bei Grappa, BILD und bei RTL mit einer geliebt-vertrauten TV-Serie wie DSDS sich von den Reiseanstrengungen erholen, dann sind eben auch Preissen sicher und daheim.




München hat in Neuperlach auch diese wunderbare Infrastruktur wie im Ruhrgebiet. Doch in München muss der Kiosk natürlich Löwe heißen.

Fortsetzung folgt

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