Sonntag, 19. August 2012

"Go East" - Leba, Danzig, Wolfschanze

176 Kilometer weiter östlich von Kolberg sind wir in Leba komfortabel untergebracht. Doch es lässt sich nicht leugnen: meine Frau bekommt den Reise-Stress-Blues. Als Alternative bleibt ihr der Zug von Danzig nach Bamberg. Da steht ihr eigenes WoMo, womit sie Fahrt und Urlaub nach ihren Vorstellungen gestalten kann. Doch friedlich, schiedlich geht es weiter - "Go East".


Das Meer ist gewaltig. Es erscheint bei durchbrechender Sonne wie in grünes Licht getaucht. Das Wasser ist kühl, rote Fahnen verbieten das Baden. Doch mit zwei anderen Burschen lassen wir uns das Vergnügen im kalten Nass nicht nehmen, bis uns die Trillerpfeifen der beiden Bademeister an Ufer befehlen.



Grüne Gischt schäumt aus den Wellen.


Die Fischer machen ihr Boot startklar zum Fang. Viele Menschen tummeln sich an der Mole. Der Feiertag Maria Himmelfahrt schenkt den Menschen Freizeit, Fischer und Dienstleistende der Gastronomie ausgenommen.


Soviel zum Thema "Rentners Rummelplatz Reisen": Das Segelboot ist ebenso ein Plastikimitat für Touri-Abenteuer wie der Rummelplatz für junge Leute.



An der Hafenmole steht der Räucherofen. Die Feriengäste verzehren an Ort und Stelle den Frischen Fischfang.



Frischer kann man Fisch nicht genießen.


Der "Tarzan-Park" lehrt wagemutigen Kletterern beste Balance in schwindelnder Höhe.


Diese Wanderdüne bei Leba verschlingt mit einer Höhe von 50 Metern alles Leben unter sich. Die ausgedehnte Sandwüste heisst die "Polnische Sahara". Sie ist zwar viel kleiner als ihre große Schwester in Afrika, bekommt dafür aber viel mehr Regen ab.


Sand bis zum Meer: Die Polnische Sahara - leider bei leichtem Sprühregen.


Der weiße Sand am unteren Bildrand rückt gegen den Wald vor, der am Leba-See steht. Die erste Baumreihe fällt und verdorrt.



Bei Leba baute die Wehrmacht in den Kriegsjahren ein Raketenversuchsgelände in den Wald. 1960 noch schossen die Polen eigene Raketen in den Himmel. Einige Exponate sind nachgebildete Attraktionen.



Der ehemalige Beobachtungsbunker ist als Museum eingerichtet. Schmutz auf dem Boden machen den Besucher darauf aufmerksam, dass eine Schwalbenfamilie dort an der Decke sich eine Kinderstube eingerichtet hat.


Von diesen Wächter-Behausungen stehen noch einige im Wald vom Leba, wenn man sich dem ehemaligen Raketenversuchsgelände nähert. Bequem war der Wachdienst mit dem Rundumblick durch die engen Schießscharten nicht, doch in Kriegszeiten ist Bequemlichkeit kein Thema.




Die Nazis titulierten ihre Wunderwaffen mit klingenden Namen im Stil von Wagner-Opern wie "Rheinbote", "Rheintochter", "Feuerlilie" oder dergleichen martialischen Machtwahn mehr.


Dieser Trichter stammt wie viel von dem nahezu unkaputtbaren Beton aus den finsteren, alten Zeiten von 1943/44. Die Flugabwehrrakte konnte in dem Trog um 360 Grad gedreht werden.



Den Flug dieser zweistufigen Rakete sollten solid verleimtem Sperrholz-Flügel stabilisieren, um eine 25 Kilo schwere Sprengladung in der Spitze ins Ziel zu schießen.



Zum Abschluß der wolkenverhangenen Exkursion in die Polnische Sahara und das ehemalige Raketenversuchsgelände der Wehrmacht entspannt der Anblick des letzten einfahrenden Schiffes auf dem abendlichen Leba-See.





Falls wir weiter streiten, kann meine Frau mit einmaligen Umsteigen von Gdansk über Berlin nach Bamberg fahren. Die Fahrzeit von weniger als zwölf Stunden ist vergleichsweise leicht zu bewältigen, wenngleich die Abfahrt um 6.34 Uhr eine Nacht vor dem Bahnhof erfordert.

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Mir gefällt Leba ausnehmend gut: die Polnische Sahara im Naturpark, der Leba-See, der Strand, die Nähe zur Stadt, der Campingplatz mit WiFi - all das, was mir wichtig, ist da. Doch Mima gefällt es nicht. Es ist ihr überall zu laut. Sie will heim.



Fisch und Bier mit Aussicht auf den Hafen machen mich müde. Eine Pause vom Reisen wäre mir angenehm. Doch Mima sucht im Reisebüro nach dem Bus bis Gdansk, dann mit dem Warschau-Express morgens nach Berlin, mittags weiter heim in ihr Bamberg.



Also Adiu, liebes Leba, fort von dem stillen, ruhigen Platz, wo wir in eigener Parkbucht auf grünem Rasen standen. Es geht gegen Mittag die 76 Kilometer zum Hauptbahnhof Gdansk Glowny. Natürlich in übelster Laune beidseitig, so haben wir uns unsere gemeinsame Urlaubsfahrt wirklich nicht vorgestellt.



Da steht sie nun vorm Hauptbahnhof in Danzig, will gleich ihre Fahrkarte lösen für den nächsten Morgenzug heim. Aber sie drückt sich dann doch lieber warm, weich und wieder willig an mich. So feiern wir froh unsere Versöhnung im herrlichen Gdansk. Wir schlendern an Hunderten von Marktbuden zum Kranentor.



Danzig, die Geburtsstadt meiner Mutter, war schon in meiner Kindheit mit schwärmerischem Lob verklärt. Doch Danzig hat für mich etwas so Liebenswürdiges, Heimatliches, Schönes, dass es mich immer wieder tief berührt durch die nach dem Krieg in alter Pracht wieder aufgebauten Gassen zu schlendern.



Diese Häuser aus roten Backsteinen wirken mit einem ganz eigenartigen Zauber auf mich, gleichgültig ob es die monumentalen Kirchen, Markthallen oder ein kleines Haus über einem Bachlauf ist.



Langsam entspannen wir beide uns wieder beim Gang durch die Stadt mit all ihren Buden, Ständen und Schätzen. Wir werden immer fröhlicher und wieder glücklicher.




Meine liebe Frau findet zu ihrem stillen, beschaulichen, ausgeglichenen Glück zurück, mit dem Marktkaufleute auf der ganzen Welt ihre Kunden gekonnt mit allem Nötigen versorgen.




Auch wenn uns an dem Nachmittag noch nicht die Sonne scheint, beschließen wir die wenigen Kilometer ins mondäne Seebad Zoppot zu fahren. Dort nimmt uns ein gepackt voller Campingplatz doch noch zwischen Zelten und Wohnwagen auf.



Von all den zauberhaften Marktwaren wäre mir dieser Flaschenträger das liebste Souvenier. Allerdings mangelt es an Platz, die Figur zu transportieren und daheim zu präsentieren.



Doch nach diesem abendlichen Blick auf eines der wunderschönen Wahrzeichen von Danzig, das Kranentor, laufen wir den kurzen Weg zum Bahnhof zurück. Nach Zoppot sind es etwa 14 Kilometer, die wir auch im abendlichen Berufsverkehr leichten Herzens bewältigen.




Vom Campingplatz in Zoppot sind wir sogleich am Strand. Langsam scheinen die Wolken am Himmel und zwischen uns sich aufzulösen, um einem entspannteren Hochdruckgebiet Raum zu geben



Anderntags wandeln wir zu den Landungsbrücken von Zoppot. Von der Touristeninformation im dritten Stock überblicken wir den Hafen, von dem die Schiffe nach Danzig und zur Halbinsel Hel auslaufen. Doch uns zieht es nach dem ausgiebigen Spaziergang zurück nach Danzig zum Hauptbahnhof. Diesmal wollen wir nur den bewachten Parkplatz dort nutzen, um einen zweiten Stadtbummel zu genießen.




Der Parkwächter macht von uns beiden ein weiteres Bild, diesmal mit Sonne und Lächeln. Zwei, die seit vielen Jahren zusammen gehören, haben sich wieder friedlich gefunden.




Wie diese Schlösser am Brückengeländer fühlen sich unsere Herzen beim sonnigeren Stadtgang durch Danzig verbunden.



Wie vor sieben Jahren schon einmal schlender wir fröhlich durch die Stadt, deren abwechslungsreiche Architektur uns immer wieder neue, reizende Bilder zeigt.



Dies ist kein Kaffeeservice sondern ein Kinderkarussel.



Mehr noch als der Baum aus Metall bewundern wir die Giebel, von denen kaum einer dem andern gleicht.




Wie in München ragt auch in Danzig der Rathausturm majestätisch aus dem Trubel der Käufer und Kaufleute heraus.



Danzig sprudelt von Lebendigkeit und lockt mit Leichtigkeit den Touristen.



Der blaue Himmel über Danzig, eine fröhliche Menschenschar, in lauter Lebenslust vergisst man allen krisen-chaotische Stress aus Medien, Politik, Wirt- und Wissenschaft.



Als humoristische Reminiszens ans Mittelalter schaut theatralisch unbeweglich ein Mime über uns staunende Touristen.


Auch die Fregatte am Kranentor gibt dem Betrachter das Gefühl, in einem früheren Jahrhundert sich wieder zu finden.



Nun Adiue, liebes Danzig! Du hast uns voll fett genährt mit Bier, Brot aus prallen Brüsten lustvollen Lebens. Es geht wieder weiter, weniger als 40 Kilometer "Go East" ans Meer.



Wir wissen nicht, wann wir den nächsten STOP in Danzig einlegen, aber wenn wir wieder im sonnigen August Dich besuchen, wirst Du uns, Danzig, bezaubern wie jedes Mal.


Dein Steine, Danzig, sind und werden älter als wir, die Dich bestaunen. Doch wir wünschen, dass es eine Generation und die nächste es endlich mal schaffen, einen Stein auf dem andern zu lassen



Die Walkuh, welche hier in Polen schon als sehr großes WoMo durchgeht, steht auf der Fähre über die Weichsel - auf zu neuen Ufern, Richtung Russland, Go East eben.



Da sind wir nun in Stega, das Meer liegt in Sichtweite vor uns am Campingplatz Nummer 180. Lachs, Nudeln, Salat, Bier, Magenbitter, Kaffee und köstlicher Mohnkuchen aus Danzig befüllen den Bauch nach dem Bad im kalten, grünen Meerwasser am Morgen. Wisch- und Waschbär hat gekocht, die Wäsche rund um das rollende Haus auf Leinen ausgebreitet. Wir verstehen kein Wort der Nachbarn der rauschenden Reden. Wir haben getanzt bis zur Erschöpfung bei Live-Music und ruhen vom Reisen. Glücklich, faul, satt und dick. Danke.

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Der Weg von Stegna sollte uns schnell an die Masurischen Seen führen. Doch das Navi leitet uns erst nordöstlich in Richtung Frisches Haff, führt uns dann auf Straßen siebter Ordnung an der russischen Grenze wieder zurück Richtung Südosten. Gut, dass wir unterwegs eine Badepause machen.


 



Dies Heiligtum Heiligelinde liegt am Weg zur masurischen Seenlandschaft. Es ist Sonntag und daher gut besucht.



Das mächtige Verwaltungsgebäude in Ketrzyn spendet unserem WoMo Schatten. Wir haben uns nach der Kurverei über schwierige Straßen eine gute Pause verdient.

Bevor wir dann einen Abendplatz am See finden, tauchen wir ein in ein bedrückend düsteres Kapitel unserer Geschichte: Die Wolfschanze. Boll- und Bauwerke dieser Verrückten in einer Zeit vollkommenen Wahnsinns aus unserer Sicht umrunden wir in schweigsam versunkenen Gedanken. Diese Bilder stehen unkommentiert zum Abschluß dieses sonnigen Sonntags aus einem Gelände, in dem Füchse die Besucher anbetteln.









Dies war der "Führerbunker". In diesem - beim Rückzug gesprengten Betonklotz - auf dem Gelände der Wolfsschanze hausierte Hitler mit seinen Schranzen 800 Tage lang.






Genug der düsteren Reminiszensen! 30 Kilometer weiter stehen wir in Gizycko am See.



Von hier aus ist es nur noch eine kurze Etappe bis Litauen.






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