Dienstag, 11. Dezember 2012

Ruhig zu ertragen

Es gab einen Tag mit Sonne im Dezember, einen Tag der das Leben auf frohe Höhen brachte. Dann fällt wieder Schnee von morgens bis abends, der wie weißer Schlamm an den Schuhen klebt. Es nervt, sich durch den weißen, nassen, kalten Schleim zu mühen. Doch dies ist "ruhig zu ertragen".



Wenn im Dezember die Sonne ein paar Stunden scheint, färbt sich die graue Winter- und Weihnachtswelt wieder bunt.


 G.I.Gurdjieff schreibt in "Beelzebubs Erzählungen für seinen Enkel, Bd. I, S. 259", dass  es eine gute, geistige Übung ist, Widrigkeiten "ruhig zu ertragen". Gurdjieff verkündet uns durch seinen Beelzebub:



"Es stellte sich heraus, dass der heilige Buddha selbst sich tatsächlich im Kreise einiger seiner ihm nächsten von ihm selbst Eingeweihten im Laufe seiner Erklärungen sehr deutlich über die Mittel zur Vernichtung der erwähnten ihnen vererbten (üblen) Folgen der Eigenschaften des Organs Kundabuffer geäußert hatte.

"Unter anderem hatte er ihnen damals sehr bestimmt folgendes gesagt:

"'Eines der besten Mittel, um die in euren Naturen vorhandene Anlage zur Kristallisierung der Folgen der Eigenschaften des Organs Kundabuffer unwirksam zu machen, besteht im 'absichtlichen Leiden', und das größte 'absichtlichliche Leiden' kann in eurem Bestande dann erzielt werden, wenn ihr euch zwingt, die euch 'unangenehmen-Manifestationen-der-anderen-euch-gegenüber' ruhig zu ertragen.




G. I. Gurdjieff ist gleichsam mein großes Göttliches Vorbild für den Weihnachtsmarkt: Es wird von ihm berichtet, dass er Spatzen gefangen, gelb eingefärbt und der feinen Gesellschaft als Kanarienvögel verkauft hat, die damals Mode waren. Außerdem hat mir immer schon sein Bart gefallen. Das Bild zeigt Gurdjieff  im Jahr 1930.




Bhagwan ertrug meisterlich die 'unangenehmen-Manifestationen-der-anderen-ihm-gegenüber'. Mehr als 30 Jahre, nachdem Bhagwan mich als Swami eingesegnet hat, macht mir mein Alter nun klar, dass mir auch nichts anderes übrig bleibt. Eine vorzügliche Übung für mich 'absichtliches Leiden' mit allen 'unangenehmen-Manifestationen-der-anderen-euch-gegenüber' ruhig zu ertragen, ist der Weihnachtsmarkt. Der Sinn des 'Immer-strebend-sich-zu-mühen' ist es, 'Unerträgliches zu ertragen'. Wie der Arbeiter mit 'Schmerzensgeld' entlohnt wird, so belohnt sich der Besucher des Weihnachtsmarktes mit Speis und Trank.




Der Weihnachtsmarkt bietet für jeden etwas: Glühwein, Bratwürste, Süßigkeiten und ein Kinderkarussel. Süßigkeiten halten den Weihnachtsmarktbesucher bei Laune.

 

Der Verzehr von heißen Bratwürsten führt dem ermattenenden Körper neue Energie zu.



Meine Frau will in ihrer Hütte ja nicht nur spielen, sondern Geld verdienen: Verkaufen, verkaufen, verkaufen.6

Dank König Alkohol steigt besonders in den Abendstunden die Stimmung, ohne dass dies die Verkäufe an Mimas Hütte ankurbelt.




Wer genau hinsieht, entdeckt in der rechten Ecke des Warenangebots den Turm einer Moschee aus Marokko.


Eines frohen Tages, in einer glücklichen Stunde in der Dezemberwoche stellt sich super Stimmung ein - selbst bei mir. Mimas häuft in ihrer kleinen Hütte unter dem Thema "Licht und Spiel" Waren aus vielen Ländern an. Aus China und Tschechien kommt Blechspielzeug, Kerzen aus Bienwachs und kunstvolle Blütenkerzen aus ihrer Werkstatt bietet sie an. Aus Marokko haben wir kunstvolle Holzkisten geholt, Litauen liefert die Lichthäuschen und Lettland kunstvolle Holzkreisel.

Politische und wirtschaftliche Eliten verkaufen deutsche Waffen wie Ketten- und Rad-Panzer nach Saudiarabien, U-Boote und Bunker brechende Waffen nach Israel, Handfeuerwaffen nach Indonesien - ein Mords-Milliarden-Geschäft weltweit. Die Eliten kassieren Millionen, andere verdienen auch nicht schlecht dabei. Die prekären Massen befriedigt der Milliarden schwere Sozialhaushalt.

Wenn Verbrecher in der Schweiz, Großbritannien oder auf Karibik-Inseln Geld bunkern, nützt das der Finanzwirtschaft in diesen Staaten. Bauern, die in Afghanistan oder in Lateinamerika Mohn oder Koka-Blätter anbauen, verdienen sie so ihr Brot. Wo Verbrecher wirtschaften, folgt Mord und Totschlag.

Wenn sich hungrige Menschen kaum mehr anderes 'anschaffen' als jedes Jahr ein neues Kind, da dezimiert sich die herangewachsene Brut gegenseitig in Bruder- und Bürgerkriegen. Mordsgeschäfte mit Waffen finanzieren häufig auch Drogen- und Menschenhandel.

Der Shareholder-Value gewinnt, wenn die Lohnkosten sinken. Billiger lassen sich schlechtere Waren irgendwo immer produzieren und hierher importieren. So konsumiert das verelendede Prekariat hierzulande weihnachtliche Waren im Ein-Euro-Shop.



Das Billig-Angebot im Ein-Euro-Shop konkurriert mit dem Weihnachtsmarkt in direkter Nachbarschaft.


Die Klimakonferenz im Emirat Katar war wieder einmal eine unterhaltsame Reise für die herrschenden Eliten in fremde Länder. Nicht mehr. Derweil mischt daheim der sonntägliche Tatort Sex und Crime passend zur Zeit unter dem Titel "Wegwerfmädchen". Heimische Eliten aus Politik-, Kultur-, Wirtschaft- und Rocker-Milieu verschaffen sich die "Frischfleisch-Ware-Frau" aus Ländern mit schlechteren Lebensbedingungen, die von besserem Leben träumen.

Wenn acht Milliarden Menschen die bewohnbaren Flächen überschwemmen, sinkt der Wert des Einzelnen. All das "ruhig zu ertragen", hilft, meint der heilige Buddha laut Gurdjieff.


"Join the US-Army and fuck whores all over the world in Germany for free", hat wohl ein frustrierter Student getextet, der seine Freundin an einen US-Marine verspielte. Die Inschrift ziert das Kunstdenkmal an der schönen Regnitz.


Doch mein Weihnachtsmarkt-Mädchen in ihrer Hütte kümmert sich nicht um Politik, nicht um E-Mails, nicht um mein schriftliches Sinnen. Sie merkt, wie Politik wirkt, weil ihr Gewinn seit Jahren ständig sinkt. Doch das ändert nichts daran, dass meine Liebe zu ihr von Jahr zu Jahr steigt - gerade wegen der Schwierigkeiten, die wir "ruhig zu ertragen" versuchen.




Mein Weihnachtsmarkt-Mädchen verkauft sieben Tage in der Woche von morgens bis abends liebe, kleine, gesammelte Schätze. Wir halten gerade in dieser Anspannung und Anstrengung zusamen, um all das "ruhig zu ertragen".


Früher war es mir fast nicht möglich, Innere oder Äußere Widrigkeiten "ruhig zu ertragen". Dass beispielsweise Bhagwan mir bei meiner demoralisierenden Einweihung am 2.2.1981 Frechheiten entgegen schleuderte, diese 'unangenehme-Manifestationen-der-anderen-euch-gegenüber' war mir schier unerträglich. Nicht nur, dass mir zur genauen Betrachtung bei Bhagwans Begegnung meine Brille abgenommen wurde, ohne die sich ein kurzsichtiger Mensch hilflos fühlt, nicht nur dass meinen Körper sein Leibwächter wie ein Paket in eine für Bhagwan bequeme Position brachte, dann sprach der Herr im Sessel:

"Sw Anand Erhard, Anand means bliss. Erhard means noble.

Misery always makes a person mean. A miserable person cannot be noble -- that is impossible. He has nothing to be noble for, he has nothing to share.
Misery maketh man mean.

He is just a black hole. He sucks people. Even his presence is enough to make people sick.

The miserable person goes on creating around himself a dark aura of misery, and because he is miserable he cannot forgive the world. There is no question of being grateful to existence; he cannot even forgive it. And I can understand. Why he forgive it? He is just a victim of unknown forces, he has been thrown into existence without his consent. Nobody has ever asked him. One day suddenly he finds himself here, surrounded by misery -- not only on the outside but on the inside too. He goes on living because he cannot gather enough courage to destroy himself, but he fantasizes destroying himself."



 Nach meiner Erinnerung, hat Bhagwan nicht von "destroy himself", sondern von "kill himself" geplaudert, doch das schien dem Schriftführer dieser Zeremonie vermutlich nicht schicklich für's Protokoll. Mir reichten Bhagwans Einsichten jedenfalls völlig, auch wenn der heilige Mann meinen aufkeimenden Zorn mit wohlwollenden Worten zu besänftigen begann. Doch davon vielleicht später, soweit mir die Begegnung mit dem bemerkenswerten Bhagwan vor mehr als 30 Jahren weiterer Erwähnung wert sein sollte.

Wert zu erwägen ist mir mit bald 65 Jahren allerdings die Lebenslehre Buddhas, wie Gurdjieffs darüber schreibt. Die Existenz lehrt mich nämlich

'unangenehmen-Manifestationen-der-anderen-euch-gegenüber' ruhig zu ertragen.



Jesus am Kreuz symbolisiert das christliche Martyrium, 'unangenehmen-Manifestationen-der-anderen-euch-gegenüber ruhig zu ertragen'.


Bhagwan ging es vermutlich ähnlich, der wohl keinen angenehmen Aufenthalt in verschiedenen US-Gefängnissen  erlitt. Jedenfalls drohte Bhagwan damals, bei "einem längeren Aufenthalt im Gefängnis seinen Körper zu verlassen." Das glaubten wohl weniger seine Wärter, dafür umso mehr seine Schüler, die ihm alles glaubten. Diese Glaubensübung nannte Bhagwan "Surrender". Seine Sekretärin Sheela zeigte ihr Surrender so superb, dass auch ihr nicht der bittere Weg ins Gefängnis wie dem heiligen Meister erspart blieb. Mir macht sowas leider keinen Spass.



Bhagwan und seine Sekretärin Ma Anand Sheela haben die amerikanischen Polizisten für ihre Akten eindrucksvoll in Szene gesetzt. Auf den Schildern steht: "SHERIFF'S OFFICE MULTNOMAH COUNTY ORE: CORRECTIONS DIVISION".



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Nachtrag: Was auch immer sich als Heiligkeit - egal ob Männlein oder Weiblein - sich zur Verbesserung unserer kurz-geschorenen Vernunft aufgebretzelt hat, jede und alles fällt der kommerziellen, industriellen, religiotischen Verwertung anheim. Von Bhagwan bleibt ein plüschiger Ponyhof in Poona, klimatisiert und kultiviert, mit Jesus vergoldet sich der Klerikal-Klüngel seine Kirchen und von Gurdjieff wie tausend anderen halbseidenen Heiligen lebt die emsige Kleimkrämer-Kunst. Dort kauft der Kunde esoterische Verbesserung, Verblendung, Verblödung. Hallelujah, OMMM, Amen .... 

 Geschäftstüchtige Inder feiern zum heutigen 81jährigen Geburtstags von Bhagwan ihren Meister in seinem original Outfit.




Zwei Kommentare zu diesem Blog-Beitrag motivieren mich zu einer weiteren Ergänzung. Eine meiner besten Bekannten, bald schon eine Freundin, wedelt hinter ihren blumigen Wörtchen mit pädagogischen Zeigefinger:

"Oshos Kommentar ist allerdings ein schöner Fingerzeig. Findest du nicht??"
 
 Eine andere Antwort erkennt einfach erstaunt an, dass sich jemand die Arbeit macht, seine Erfahrungen aufzuschreiben. Beiden sei Bhagwans Einweihungsrede für mich am 2.2.1981 in Poona geschuldet, als es dort noch nicht diesen plüschiger Ponyhof für gelangweilte touristische Sinn-Sucher  gab, sondern ein höllisch heißes Menschheitsexperiment. Bhagwan baute seine Versuchsanordnung in Poona wie in Rajneeshpuram auf und wieder ab. "What goes up, must come down."
 
Bhagwan meint also im weiteren zu seinen Schülern im allgemeinen und mir im besonderen:

"The miserable person also lacks courage. The reason is very clear: the miserable lacks courage because he hopes "Tomorrow, things may be different -- don't risk everything, wait for tomorrow! Who knows? Things may change, life may become beautiful"; hence he cannot risk, he cannot gamble. Only a blissful person can risk and gamble because he knows "What more can there be tomorrow?" He knows it cannot be improved upon, so there is no fear in risking it.

The miserable person cannot gather courage so he lives but his life is just flat, dull, dead. He cannot love, he cannot sing, he cannot dance; at the most he can only pretend. Even his pretensions cannot be very deep. Anybody who has a little bit of intelligence can see behind the mask. It is very easy to see tears behind people's smiles; they are smiling just to hide their tears -- there is no other reason. They are afraid if they don't smile they may start crying.

But up to now all the so-called religions have been praising poverty and misery. They have been calling the poor, the children of good, they been saying that the people who are exploited, oppressed will be rewarded greatly in heaven. This was just opium to keep them subdued, to make their lives a little more comfortable, a little more cosy. The so-called religions have been giving consolations to people, not revolutions.

That is not my function at all. I don't console anybody, in fact I do just the opposite: I tale away all your consolations, because your consolations are taken away and you are shown where you really are, there is no possibility of your ever becoming blissful.

Bliss is possible, but the misery has to be understood, not avoided, not escaped from, not rationalised away, not put into beautiful words, not hidden behind esoteric jargon. It has to be seen in its utter nudity. It hurts in the beginning, but only in the beginning. It is bitter; but once you see the point that if you really want to get rid of it, you have to understand the roots of it, the causes of it -- why you have chosen it, why you have become miserable... And once you see exactly the reasons of your misery it starts disappearing. It is almost like magic, you need not do anything to make disappear, you have just to see clearly. Your perception has to be absolutely clean, innocent, direct and penetrating.

When you have seen misery to its very core, suddenly you are out of it: the very seeing is freedom. And then bliss arises -- it is your nature. Misery is imposed from then outside, it is something learned; bliss is not learned, it is an explosion. It is finding your own inner sources of life, love, light.

When there is bliss there is dance, there is celebration -- and that dance makes one noble. And when you are so full naturally tend to share, for no purpose at all -- just for the sheer joy of sharing. when you have too much you want to give it. In fact one has to give it, otherwise it becomes a burden. When the flower is full of fragrance the fragrance has to be released to the winds. It is not a loss to the flower; it is a fulfillment.

Nobility has nothing to do with character; it has something to do with blissfulness. Nobility has nothing at all to do with birth -- because even kings are miserable, more miserable than anybody else. They are rich beggars, that's all, having beautiful facades, but behind the facades are all kinds of uglinesses.

Bliss is the only quality out of which nobility arises. Nobleness simply means the joy of giving, the joy of sharing, without even making the other feel obliged -- that is nobleness. You give and you also thank the person who has accepted your gift -- that is nobility. You thank him because he could have rejected it. He has been really good to you in that he accepted your gift, in that he heard your song, in that he paid a little attention to you, in that he received your love with welcome; in that when you had so much to give he has not closed, he was open, available. He danced with you, he laughed with you -- you are obliged!

When this process is triggered in one's being one starts feeling obliged to the whole existence: to the trees and to the rivers and to the mountains and to the stars. To me this is religion -- not going to the church or to a temple or to a mosque, not reading the Bible or Koran or Gita, not worshipping Krishna, Buddha, Mahavira, but getting into a deep , loving relationship with existence, offering oneself totally to existence. That is the only prayer I know of, and that's what nobility is all about.


Osho, Nirvana Now or Never #2, Darshan Diary, 2.2.1981"





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