Sonntag, 10. Juni 2012

Bierschaum aus München


Das Wichtigste für die Wahrnehmung, also die Öffentlichkeit, oder und also auch die Öffentliche Wahrnehmung ist: Schaumschlägerei! Nur wer als Schaumschläger - gleichsam mit Schaum vor'm Maul - Menschen von sich und seiner Wichtigkeit überzeugt, dazu sich global vernetzt, dessen Wort wiegt.

Wer sich nervenstark, auch ausdauernd gegen widrigen Wind durchkämpft, verdient auch Anerkennung. Mama Merkel mag vorrangig für ihre eigene Macht sowie die Macht, den Reichtum und Einfluss ihrer Auftraggeber eintreten, doch was sie jahrelang macht, gewinnt Respekt, auch Wählerstimmen.
Wer medial und mental potent und präsent im Mainstream schwimmt, das sind die Menschen, die die Medien hochschreiben. Die bleiben. Welt bewegende und erregende Ereignisse wie Germanys Next Top-Model oder Europäische Fussball-Meisterschaft verzücken und beglücken das von Arbeit, Entlassungen, Eurokrise und Blutbädern wie derzeit in Syrien erschöpfte Publikum.


Mimamai mag meistens ihren Job als Marktfrau: Im Frühjahr und Sommer verkauft sie in einer Bretterbude an der Straße Spargel, Erdbeeren und Blaubeeren. Im Weihnachtsmarkt Bamberg steht sie in ihrer eigenen Hütte seit bald 20 Jahren ihre Frau. Wer seinen Job mag, macht ihn gut und beflügelt auch andere, ihren Job gut zu erledigen.

Training und Spezialisierung bringen einmalige Experten und ausgewiesene Ausnahmetalente hervor. Diese bejubeln die Massen wie Fußballer. Menschen mit Fußball-Allergie können den Kämpfen um die Europameisterschaft beinahe nur im Koma oder in isolierender Einsamkeit enkommen. Mich stört dieser Rummel schon seit Jahrzehnten.

Nur noch in der Klinik, im künstlichen Koma, entkommt man derzeit der medialen Macht- und Moneten-Manipulation um das Ball-Gebalge von gezüchteten Ausnahme-Artisten.
Doch die Meisten, die sogenannte Mehrheit, will am Ball bleiben. Diese Menschen belebt und beseligt das mediale Mauscheln um Quote wie beim Fußball oder einem weiteren gigantischen Großereignis germanischer Gutgebauter, wie eben Germanys Next Top-Model. Die Damen, welche dann vielleicht die nächste Generation besonderer Ballartisten austragen, gepampert auch von der Wurf- oder Herdprämie, dem sogenannten Betreuungsgeld, präsentieren sich prächtig in Pose.


Archetypisch ahnt der Zeitgeist, dass Beine sich zum Sieg bewegen, gleichgültig ob auf dem Fußballfeld oder dem Laufsteg bei Germanys next Top-Model. Der mediale Massenwahn steuert die Aufmerksamkeit vom Kopf zum Fuß. Statt sich selbst und seine umgebende Wirklichkeit ein wenig besser zu erkennen, manipulieren Medien die Massen mit einer Unterhaltung, die Zyniker als Volksverblödung bezeichnen.

 

Konstantin Wecker besingt beinharte Bemühungen um Aufstieg und Anerkennung treffend mit der Zeile: "Einen braucht der Mensch zum Treten."  Wozu? Es geht um Anerkennung, Aufmerksamkeit, es geht darum, seine gefühlte Minderwertigkeit materiell aufzubretzeln. Deutschland sucht den Superstar. Germanys Next Top Model. Fußball-Europameister. Die Beine, die über den Laufsteg trippeln oder über den Fußballrasen hetzen, symbolisieren eine Kultur des Tretens.


Es geht um Aufmerksamkeit und Anerkennung. Jedes Mittel dazu scheint recht. Selbst wer sich in einen einsamen, regennassen Park flüchtet, begegnet dort ähnlichem Spiel und Spektakel: Wer hat den Größten, den Längsten, den Schönsten... Hund?


Zum Glück wechseln sich kalte Regenschauer mit böigem Wind ab. Selten trocknet der Weg. So bleibt Platz im Englischen Garten. Nur unverzagte Hundehalter und Fitness-Versessene lassen sich vom Wetter kaum beeindrucken.


Dies Rattenrennen, der Größte, Mächtigste, Klügeste, eben der Beste zu sein, setzt sich noch fort, wenn die kriegerische Konkurrenten längst ins Gras gebissen haben. Dann geht es noch darum, wer wem das eindruckstvollste Kriegerdenkmal, den prächtigsten Grabstein aufstellt. Von Erde genommen, zu Erde geworden, bleiben Betonköpfen Steine der Erinnerung.


Um sich nicht immerzu mit Gedanken zu Zeit und unserer Vergänglichkeit zu belasten, bietet Rentners Rummelplatz Reisen immer wieder Ausblicke in eine gleichsam gemütlich Gegenwart: Der Kutscher mit Zylinder befördert mit den beiden Apfelschimmel eine bierselige Gesellschaft in den Biergarten am Englischen Garten. Es ist ein gutes Geschäft, seine Sorgen zu ertränken oder in angenehmer Abwechselung zu vergessen.


Selbst die Sonne erbarmt sich am späten Samstag Nachmittag noch der Münchener. Mit einer angenehmen Begleitung, einem Liter Bier sowie einem Bildschirm für das Fußballfest lässt es sich leben.

In wenigen Stunden meist am Wochenende plus Sonnenschein muss sich der Aufwand im Biergarten bezahlt machen. Was Menschen in harten Arbeitsstunden erwirtschaften, investieren sie zur Erholung in kostspieligen Attraktionen ihrer knappen Freizeit.


Zeigte sich vormittags der Englische Garten noch in tropfnasser Regenpracht, macht sich die Sonne am Nachmittag daran, die aufgeweichten Wege zu trocknen.



Ein Sportplatz im Englischen Garten verschafft den jungen Damen auch eine Bühne, sich in der Kunst zu üben, gegeneinander anzutreten und gemeinsam gegen einen Ball zu treten.


Dieser junge Mann übt sich als Einzelkämpfer. Gekonnt und gewagt hechtet er maßgenau über Mauern und Bäche. Er landet auf einer fußbreiten Mauer, wie er von einer solchen Mauer federnd abspringt.


Die Münchener Stadtväter geben die prächtige Leopoldstraße von Schwabing bis zum Odeonsplatz als Vergnügungs- und Flaniermeile für das Wochenende frei. Kleinunternehmer wie Angestellte von Autohäusern oder Parteisoldaten werben um Aufmerksamkeit oder mit ihren Waren um das Geld der Menschen.


Die wandelnde Deutschlandfahne wie die Halsgirlanden der Damen in schwarz, rot, gelb sind der völkischen Erhebung um "unsere Deutschen Fußball-Heroen" geschuldet. Der Herr mit den roten Schuhen und dem gelben Hemd verschenkt Kindern Luftballons auf Spendenbasis der entzückten Mütter.


Griechisch-spanische-portugiesische Eurokrise? Bei diesem Freundschaftstänzchen zu griechischen Klängen verfliegen die Sorgen ums Morgen. Der Zauber eines glücklichen Augenblickes lässt alles andere vergessen.


Bunte Tücher beleuchtet die Abendsonne. Auf der Bank wirbt ein Schild für "Handlesen, Kartenlegen, Horoskop". Auch für Geistigen Beistand in weniger leuchtenden Lebenslagen ist bestens gesorgt.


Richtung Siegestor drängeln sich immer mehr Menschen um immer reizendere Attraktionen.


So sieht er also aus: Der "Anhänger der CSU" lässt sich kaum übersehen.


Sich diesen akustischen und optischen Reizen auszusetzen, macht hungrig. Doch die Wirte in der Leopoldstraße freuen sich darauf, müde Menschen zu erquicken. Es ist ihr Geschäft.



Wie die CSU um Anhänger wirbt, so buhlen auch Antiklerikale dafür, dass Menschen endlich einmal vom Glauben abfallen. Die Website www.galerie-der-kirchenkritik.de erfordert allerdings einige Aufmerksamkeit, diese Zeichenkette einzugeben. Doch der Service dieses Blogs lässt Sie gleich per Mausklick auf obigen Link dahin wechseln.


Besonders freut den Verfasser dieser Zeilen, dass seine Liebste ihn nach ihren langen Stunden im Erdbeerhüttchen zu einem Bummel über das abendliche Fest in der Leopoldstraße begleitet. Mit ihr ist das Leben doppelt so schön.

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