Dienstag, 25. Dezember 2012

Weihnachtsmarkt-Ende, mein Bildbericht

Freitag wird Uwe begraben. Letztes Jahr hat er noch geholfen, die Weihnachtsmarkthütte aufzubauen. So wie Uwe alle letzten 16 Jahre mitgeholfen hatte, die Hütte aufzubauen. Uwe ist nicht alt geworden, nur 51 Jahre alt.



Uwe, bei unserem letzten Besuch Anfang Oktober, wird am Freitag begraben.

Für mich war der Weihnachtsmarkt am Sonntag kurz vor Mitternacht abgeschlossen. Vier Wochen andauernde Anspannung sind beendet. Obgleich meine Frau nur zu ihrer Mittagspause und für eine weitere Stunde am Nachmittag meine Vertretung in ihrer vier Meter langen und zweieinhalb Meter breiten Hütte angefordert hatte, brachten mich schon diese wenigen Arbeitsstunde an die Grenze des Erträglichen. Zwischen meiner Mittags- und Nachmittags-Schicht in dieser als Unterschichten-Knechtschaft empfundenen Fron verhalf mir ein Mittagsschlaf, mit Kaffee und Weihnachtsgebäck, zu neuen Kräften.


Uwes Vermächtnis: Diese Krippe hat Uwe solide gezimmert und sie wird uns immer an ihn erinnern.

Der Stress, die Spannung war für meine Frau in der erste Marktwoche schon zuviel. Wie die letzten Jahre wieder wehrte sich ihr Körper gegen die Überanstrengung mit einer Grippe. Allein in der Hütte entging mir an einem regnerischen, kalten, zugigen Vormittag ein Hauptgeschäft. Ein amerikanisches Paar ließ sich drei große Lichthäuser vor sich aufstellen. Eine schwierige Arbeit, die empfindlichen Keramik-Gebäude vom höchsten Regal auf die Theke zu balancieren. Der Amerikaner brauchte stabile Verpackungen für diese Ware im Wert von 200 Euro. Mimamai-Stephanie, meine Frau, hätte das alles machen und beschaffen können. Doch sie lag kränkelnd daheim. Den Amerikaner war es zuviel Mühe, sich Pakete bei der nahen Post zu beschaffen, die Ware selbst dort zu verpacken und zu verschicken. So war die Energie für ein stundenlanges Verkaufsgespräch vergebliche Liebesmühe.



 Eine schwierige Arbeit, die empfindlichen Keramik-Gebäude vom höchsten Regal auf die Theke zu balancieren.

Die ersten beiden Wochen fürchteten wir, dass dieser Markt unser letzter sein müsse. Das Ergebnis war am Abend zu oft einfach deprimierend. Die Menschenmenge an schlechtgelaunten Großmüttern und Großvätern, die gelangweilt und missmutig an den Auslagen vorbei zogen, war unerträglich. Kaum einer blieb stehen. Jegliche Kundenansprache vertiefte die miese Stimmung, weil die Antworten absehbar waren im gleichen Geraunze: "Hab'm schon. Steht alles voll bei uns." Und so weiter. Wo blieben die Kinder?



"Wo bleiben die Kinder?" Das fragt man sich, wenn nur missmutige Greise an der Hütte vorüber gehen und raunzen: "Hamma-schon-alles..."

Neben der Vier-Meter-Hütte durfte meine Frau ihre Verkaufsfläche um zweieinhalb Meter erweitern. Ein Neubau der Hütte kam nicht in Frage. Ihr Kleingeschäft wirft solche Summen nicht ab, eine neue Hütte bauen zu lassen. Also kam sie als Klein-Unternehmerin auf die  Idee, Schlitten auf dem Weihnachtsmarkt zu verkaufen. Als Blickfang sollte uwe ein Krippe bauen. Die Krippe hat Uwe so solide gebaut, dass schon zwei, drei Jäger sie nach dem Ende des Marktes kaufen wollten. Wir haben ihnen dann immer die Adresse von Uwe gegeben. Doch Uwe wird keine Krippe mehr bauen. Uwe wird am Freitag begraben. Auch die Vögelhäuser, die Uwe mit Hölzern aus dem Wald hinter seinem Haus gebaut hat, sind alle verkauft. Sein Sohn kann keines der kleinen Kunstwerke mehr im Gedenken an den Vater bekommen. Mein Marktweiblein hat alle Vogelhäuschen schon im ersten Jahr verkauft. Über die Schlitten hat Mima in der Krippe Vogelhäuser aufgehängt. Für die nächsten Märkte haben wir Vogelhäuschen aus Tschechien geholt. Bis auf eines sind auch diese alle wieder verkauft.



Umsätze und Gewinn sinken seit Jahren: Drei Ursachen sind für mich leicht auszumachen.

1. Alte Menschen erinnern sich zwar gern an ihre Jugend, wo sie mit Blechspielzeug spielten, kaufen aber keines mehr.

2. Es gibt immer weniger Kinder. Also kaufen die Alten für ihre Enkel auch weniger.

3. Seit Jahren verteilen die herrschenden Eliten das Geld von unten nach oben, nicht zuletzt um exorbitante Manager- und Bangster-Boni zu finanzieren und deren bankrotten Geschäfte zu retten.



Propaganda oder Tatsachen? Unzählige Berichte beschreiben die Situation. Doch jeder liest immer nur das, was ihm gefällt, wozu man sein "LIKE-IT-KNÖPFCHEN" drückt.

In den letzten beiden Wochen besserte sich der Umsatz - endlich. Wie in theatralischer Comedy-Show, wie ein Marktschreier konnten kaum Besucher an unserer Hütte vorbeigehen, ohne über meine Ansprache zu lächeln: "Licht, Spiel, Duft und Glanz aus unserer Hütte für Ihre Hütte!" Die Marktfrau vom Strumpfstand gegenüber dröhnte dagegen: "Alles billig! Heute alles billiger!"



Die Marktfrau vom Strumpfstand gegenüber dröhnte dagegen: "Alles billig! Heute alles billiger!"

Mein Gefühl wollte nicht weichen, mein Gefühl, dass Marktkaufleute als gesellschaftliche Unterschicht um ihr Geld kämpfen. Doch Marktkaufleuten geht es vergleichsweise gut. Einige Menschen aus Kasachastan säubern die Toiletten. 50 Cent kostet der Klo-Besuch. Marktkauf-Leute erkämpfen sich dort freien Zugang. Nach einer frierend frustrierenden Stunde in der Marktbude ohne einen einzigen Verkauf gibt es kein Mitgefühl mehr für die Toilettenfrau, die 50 Cent von einem frierenden Pisser fordert und mich dazu am Ärmel festhält: "Sie fassen mich nicht an!" zischt es wütend aus mir.



Die Menschen aus Kasachstan, die die Toilettenanlagen warten dürfen, sind immer noch nicht das untere Ende der sozialen Schicht. Busladungen von Bettlern, vermutlich aus Rumänien, knien in Scharen an vielen Punkten der Stadt, um Almosen zu gewinnen.


Anderntags arbeitet dort einer ihrer Kollegen. In radebrechendem Russisch-Deutsch lächelt er mir zu und meint: "Hitler tot!" Wir lachen beide, werden wie Freunde. Mima schenkt ihm ein paar Kleinigkeiten aus ihrer Hütte, selbst geknetete Blütenkerzen.



Diese Musikanten beschallen gerade die Gasse, in der Mima in ihrer Hütte Spieluhren verkaufen will. Doch der Klang dieser zarten Geräte geht unter, wenn die Flöten aus den Anden pfeifen.


Endlich stellt sich etwas besserer Umsatz ein, endlich. Als erstes sind die größeren Vögelhäuser verkauft, selbst als Mima sie noch um drei Euro teurer gemacht hat. Eine feine Dame flötet: "Haben Sie denn nicht mehr das Haus mit den schönen Schindeln? Nein?! Das ist aber schade. Heute ist mein Mann nämlich da, der es zum Auto tragen kann."



Mima führt ein Spielzeug vor. Doch Besucher mit Glühwein oder Bratwurst-Brötchen lassen sich lieber unterhalten als etwas zu kaufen.

Die Autos stehen 40 Meter weiter unter unserer Markthütte in der Tiefgarage. Mir ist mein Marktweiblein, was meistens lacht und scherzt, lieber. Wir werden zu einem Team, was unglaublich gut harmoniert. Wieder einmal sind Schiebelehnen für ihre Schlitten verkauft. Ein Stück kostet 48 Euro. In einer Garage lagert ihr Nachschub. Auf dem alten Damenfahrrad, was wir von meiner mittlerweile 90jährigen Tante geholt haben, karre ich ihren Nachschub heran. Vier zusammengeklappte Schiebelehnen hängen mir über eine Schulter. Der Fußgängerweg erscheint mir sicherer für die fragile Fracht. Ein oberlehrerhafter Gut-Bürger gibt unwillig den Weg mir frei auf dem Bürgersteig, nicht ohne mich anzumaunzen: "Das ist kein Fahrweg." 400 Meter vor dem Markttrubel bleibt das Rad verschlossen stehen. Auf jeder Schulter zwei Lehnen kämpft sich mein erschöpfter, entnervter Körper und Geist an einem der zahlreichen Kruzifixe vorbei zur Markthütte. Mima verkauft fröhlich wie immer und freut sich über den Nachschub. Dass es regnet, wie meistens, ist klar.



Auf jeder Schulter zwei Lehnen kämpft sich mein erschöpfter, entnervter Körper und Geist an einem der zahlreichen Kruzifixe vorbei zur Markthütte.

Schon liegen die Schiebelehnen unter dem Dach von Uwes Krippe, was Mima mit echten Lärchenholzschindeln hat decken lassen. Wie diese kleine Unternehmerin auf diese Ideen kommt, Freunde findet, die ihr helfen, ihr gerne helfen, sie lieben, mit ihr lachen. Mir ist das ein Rätsel. Meine Liebe zu ihr ist ihr Geheimnis, ihr größtes Geheimnis.



Manchmal sind mir die Massen am Markt geradezu unerträglich. Doch die Zeit geht vorüber - wie Menschen an Markthütten.

Manchmal sind mir die Massen am Markt geradezu unerträglich. Die Energie der Menschen klärt manchmal spürbar mein erster Blick. Die Einen wollen sich unterhalten lassen, lachen mit ihrem Glühwein in der Hand. Nach der dritten, vierten Vorführung von einem Kreisel, einem Blechspielzeug chinesischer oder indischer Wertarbeit, reicht es mir: "Nun", bedrängt sie mein Ton bedrohlicher, "nun, für was wollen Sie sich entscheiden?" Das reicht meist, dass sie mit ihren Glühwein-Näpfen lachend und dankend weiter ziehen.
Am Wochenende hilft uns eine fähige junge Verkäuferin, die meiner Mima in Art und Aussehen schon recht ähnlich ist. Beide zusammen wirbeln in der Hütte so erfolgreich, dass ein paar Stunden Freizeit auch meine Wochenenden angenehmer gestalten. Am besten erholt sich mein Körper in der Sauna-Oase im Bambados. Der Weg mit dem Fahrrad dahin ist kalt und etwas mühsam, aber machbar.


Mit unseren "Lastenfahrrädern" bewältigen wir Transporte und Wegstrecken in Bamberg.


Meine Freizeit-Stunden zwischen den Markt-Kauf-Kämpfen gleichen einem geruhsamen Mittelschicht-Rentner-Refugium. Dann entspannt mich die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG und Gurdjieffs Buch "Beelzebubs Erzählungen an seinen Enkel." Die Zeitung bringt den täglichen Kriegs- und Krimi-Bericht. In der Woche vor Heilig Abend marschierten marschieren vierhundert Einsatzkräfte von Polizei und Steuerfahndung in die DEUTSCHE BANK. Die Polizeibeamten bunkern gleich vier Bangster ein. Der Vorstand beschwert sich bei einem Politiker. Darüber heult die Medienmeute, als wäre der Vorstand einem Hund auf den Schwanz gestolpert. Auf dem Tahir-Platz in Kairo prügeln sich die Massen munter weiter. Die Scharia als Staatsräson macht Sektierern wie der christlichen Minderheit das Leben zur Hölle. Durften zuvor befreundete Diktatoren-Regime ihre Mitbürger foltern, ausplündern und morden, führen nunmehr fromme Muslim-Brüder das blutige Geschäft fort. Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral. Wo nicht genug zu fressen für alle bleibt, da sterben die Schreie -  für immer. In Syrien soll der Krieg schon 40.000 Opfer gefordert haben. Soweit die Zeitung - kurz gefasst. Mein Marktweiblein braucht die Zeitung - als Packpapier.



Das Wasser der Regnitz fließt gemächlich durch das alte Bamberg, welches auf einen mehr als 400 Jahre alten nahezu unveränderten Altstadt-Straßenplan stolz ist.

Meine Mimamai war meist vor sechs Uhr früh schon munter. Sie hat sich dann selbst ein Mittagsmahl vorbereitet. Während ihrer Mittagspause hat sie dann ihre Schuhe gewechselt, kaum geruht. Dann klopfte sie wieder an die Holztür ihrer Hütte. Als der Umsatz anfangs so schleppend lief, wollte sie nicht wissen, was wieder nicht verkauft war. Sie sah es ja schon an meinem Gesicht.

Der Weihnachtsmarkt bietet Speis' und Trank im Übermaß. Ein chinesisches Klein-Lokal, vormals das "Bratwurst-Stüberl", verkauft Gemüsesuppe für 1,60 Euro. Den Kloschlüssel verwahrt die Chefin. Es ist warm dort. Es ist so warm, dass sich der Körper von Fellmütze, von Daunenjacke, von Strickjacke und Weste entlasten kann. Nach dem Genuß einer Gemüsesuppe hat der Organismus wieder soviel Wärme gespeichert, dass es weiter gehen kann im Verkaufstrubel. Ein Gericht wie Gemüse mit Tofu kostet 4,50 Euro, die große Portion sechs Euro. Während man dieses Gericht in Ruhe verzehrt, kann man schon bald den Mantelteil der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG studieren - zumindest die Leitartikel. Das sind Sternstunden meines Mittelschichten-Gefühls!

Endlich, endlich ist der Markt vorüber. Am ersten Abend bauen wir Uwes Krippe ab. Damit geht die erste Wagenladung mit der Ladung aus dem Anhänger in Mimas Garagenlager. Es hat den ganzen Tag, auch beim Abbau, geregnet. Die beiden Bodenbretter von Uwes Krippe sind schwer wie Klaviere. Am nächsten Abend folgt der Abbau der Hütte. Zuvor verstauen wir alle unverkaufte Ware vorsichtig durch Zeitungspapier geschützt in Bananen-Kartons. Mein Marktweiblein schleppt seit 30 Jahren Bananenkartons mit ihren Waren. Die Hütte aus 10 Seitenteilen, vier Bodenplatten, den neun Dachsparren und der Plastikplane als Dach ist im Anhänger verstaut. Zuletzt müssen wir alles im Garagenlager verstauen. Danach erstmal erschöpfte Bettruhe. Aufräumen muss und macht mein Marktweiblein wie immer ohne mich.



Endlich, endlich ist der Markt vorbei!



Freie Tage, freie Fahrt: Es ist ein ganz neues Lebensgefühl, wieder zusammen freie Zeit zu genießen.


Nach einem gemeinsamen Weihnachtsfest-Essen mit 11 Menschen beim einfachen Chinesen am Markt schmücken wir noch das Grab von Mimas Eltern, ohne die wir nicht zusammen wären.



Doch wenn das alte Laub gegangen, kommt im Frühjahr frisches Grün.



Alt und jung schaut staunend in die Welt voller Seligkeit.



Nun leben wir wieder im Auto, in unserer "Walkuh". Die Ferienwohnung ist geräumt, doch wir bleiben in Bamberg auf dem WoMo-Stellplatz. Dort gibt es seit letztem Jahr Strom. Dafür stieg der Preis von einem auf 12,00 Euro plus Strom. Doch Uwes Abschiedfest wollen wir nicht versäumen.


Der Raum zur Andacht war zu klein für alle, die Uwe die letzte Ehre erweisen wollten. Etwa 70 Menschen drängten sich in dem Raum, die meisten standen - bis in den Flur. Wir sahen Bilder von Uwes jungen Jahren, mit seinen Kindern und Freunden. Mit den Klängen von den DOORS erinnerten wir mit "Riders on the storm" wilde Jugendjahre. Uwe hat sich mit aller Kraft aus-gelebt. Noch wenige Tage vor seinem Tod hat er seinem Sohn geholfen, dessen alten VW-Bus flott zu machen.


Das festliche Zusammenkommen seiner Kinder und Verwandten, seiner zahlreichen Freunde war eines Fürsten würdig. Wir feierten auf der Altenburg, dem höchsten Punkt in Bamberg. Geschichten gemeinsamer Erinnerung tauschten wir aus. Uwe war ein Magnet in der schon engen nachbarschaftlichen Gemeinschaft der Bamberger.


Unser Blick geht zurück auf die nächtliche Altenburg, hoch über Bamberg. Durch die edlen in Bleirahmen verglasten Fenster sahen wir auf das Lichtermeer von Bamberg, den Dom mit seinen vier Türmen. Wie Uwe unvergesslich in unseren Herzen weiter lebt - so auch sein Abschied.  

Dienstag, 11. Dezember 2012

Ruhig zu ertragen

Es gab einen Tag mit Sonne im Dezember, einen Tag der das Leben auf frohe Höhen brachte. Dann fällt wieder Schnee von morgens bis abends, der wie weißer Schlamm an den Schuhen klebt. Es nervt, sich durch den weißen, nassen, kalten Schleim zu mühen. Doch dies ist "ruhig zu ertragen".



Wenn im Dezember die Sonne ein paar Stunden scheint, färbt sich die graue Winter- und Weihnachtswelt wieder bunt.


 G.I.Gurdjieff schreibt in "Beelzebubs Erzählungen für seinen Enkel, Bd. I, S. 259", dass  es eine gute, geistige Übung ist, Widrigkeiten "ruhig zu ertragen". Gurdjieff verkündet uns durch seinen Beelzebub:



"Es stellte sich heraus, dass der heilige Buddha selbst sich tatsächlich im Kreise einiger seiner ihm nächsten von ihm selbst Eingeweihten im Laufe seiner Erklärungen sehr deutlich über die Mittel zur Vernichtung der erwähnten ihnen vererbten (üblen) Folgen der Eigenschaften des Organs Kundabuffer geäußert hatte.

"Unter anderem hatte er ihnen damals sehr bestimmt folgendes gesagt:

"'Eines der besten Mittel, um die in euren Naturen vorhandene Anlage zur Kristallisierung der Folgen der Eigenschaften des Organs Kundabuffer unwirksam zu machen, besteht im 'absichtlichen Leiden', und das größte 'absichtlichliche Leiden' kann in eurem Bestande dann erzielt werden, wenn ihr euch zwingt, die euch 'unangenehmen-Manifestationen-der-anderen-euch-gegenüber' ruhig zu ertragen.




G. I. Gurdjieff ist gleichsam mein großes Göttliches Vorbild für den Weihnachtsmarkt: Es wird von ihm berichtet, dass er Spatzen gefangen, gelb eingefärbt und der feinen Gesellschaft als Kanarienvögel verkauft hat, die damals Mode waren. Außerdem hat mir immer schon sein Bart gefallen. Das Bild zeigt Gurdjieff  im Jahr 1930.




Bhagwan ertrug meisterlich die 'unangenehmen-Manifestationen-der-anderen-ihm-gegenüber'. Mehr als 30 Jahre, nachdem Bhagwan mich als Swami eingesegnet hat, macht mir mein Alter nun klar, dass mir auch nichts anderes übrig bleibt. Eine vorzügliche Übung für mich 'absichtliches Leiden' mit allen 'unangenehmen-Manifestationen-der-anderen-euch-gegenüber' ruhig zu ertragen, ist der Weihnachtsmarkt. Der Sinn des 'Immer-strebend-sich-zu-mühen' ist es, 'Unerträgliches zu ertragen'. Wie der Arbeiter mit 'Schmerzensgeld' entlohnt wird, so belohnt sich der Besucher des Weihnachtsmarktes mit Speis und Trank.




Der Weihnachtsmarkt bietet für jeden etwas: Glühwein, Bratwürste, Süßigkeiten und ein Kinderkarussel. Süßigkeiten halten den Weihnachtsmarktbesucher bei Laune.

 

Der Verzehr von heißen Bratwürsten führt dem ermattenenden Körper neue Energie zu.



Meine Frau will in ihrer Hütte ja nicht nur spielen, sondern Geld verdienen: Verkaufen, verkaufen, verkaufen.6

Dank König Alkohol steigt besonders in den Abendstunden die Stimmung, ohne dass dies die Verkäufe an Mimas Hütte ankurbelt.




Wer genau hinsieht, entdeckt in der rechten Ecke des Warenangebots den Turm einer Moschee aus Marokko.


Eines frohen Tages, in einer glücklichen Stunde in der Dezemberwoche stellt sich super Stimmung ein - selbst bei mir. Mimas häuft in ihrer kleinen Hütte unter dem Thema "Licht und Spiel" Waren aus vielen Ländern an. Aus China und Tschechien kommt Blechspielzeug, Kerzen aus Bienwachs und kunstvolle Blütenkerzen aus ihrer Werkstatt bietet sie an. Aus Marokko haben wir kunstvolle Holzkisten geholt, Litauen liefert die Lichthäuschen und Lettland kunstvolle Holzkreisel.

Politische und wirtschaftliche Eliten verkaufen deutsche Waffen wie Ketten- und Rad-Panzer nach Saudiarabien, U-Boote und Bunker brechende Waffen nach Israel, Handfeuerwaffen nach Indonesien - ein Mords-Milliarden-Geschäft weltweit. Die Eliten kassieren Millionen, andere verdienen auch nicht schlecht dabei. Die prekären Massen befriedigt der Milliarden schwere Sozialhaushalt.

Wenn Verbrecher in der Schweiz, Großbritannien oder auf Karibik-Inseln Geld bunkern, nützt das der Finanzwirtschaft in diesen Staaten. Bauern, die in Afghanistan oder in Lateinamerika Mohn oder Koka-Blätter anbauen, verdienen sie so ihr Brot. Wo Verbrecher wirtschaften, folgt Mord und Totschlag.

Wenn sich hungrige Menschen kaum mehr anderes 'anschaffen' als jedes Jahr ein neues Kind, da dezimiert sich die herangewachsene Brut gegenseitig in Bruder- und Bürgerkriegen. Mordsgeschäfte mit Waffen finanzieren häufig auch Drogen- und Menschenhandel.

Der Shareholder-Value gewinnt, wenn die Lohnkosten sinken. Billiger lassen sich schlechtere Waren irgendwo immer produzieren und hierher importieren. So konsumiert das verelendede Prekariat hierzulande weihnachtliche Waren im Ein-Euro-Shop.



Das Billig-Angebot im Ein-Euro-Shop konkurriert mit dem Weihnachtsmarkt in direkter Nachbarschaft.


Die Klimakonferenz im Emirat Katar war wieder einmal eine unterhaltsame Reise für die herrschenden Eliten in fremde Länder. Nicht mehr. Derweil mischt daheim der sonntägliche Tatort Sex und Crime passend zur Zeit unter dem Titel "Wegwerfmädchen". Heimische Eliten aus Politik-, Kultur-, Wirtschaft- und Rocker-Milieu verschaffen sich die "Frischfleisch-Ware-Frau" aus Ländern mit schlechteren Lebensbedingungen, die von besserem Leben träumen.

Wenn acht Milliarden Menschen die bewohnbaren Flächen überschwemmen, sinkt der Wert des Einzelnen. All das "ruhig zu ertragen", hilft, meint der heilige Buddha laut Gurdjieff.


"Join the US-Army and fuck whores all over the world in Germany for free", hat wohl ein frustrierter Student getextet, der seine Freundin an einen US-Marine verspielte. Die Inschrift ziert das Kunstdenkmal an der schönen Regnitz.


Doch mein Weihnachtsmarkt-Mädchen in ihrer Hütte kümmert sich nicht um Politik, nicht um E-Mails, nicht um mein schriftliches Sinnen. Sie merkt, wie Politik wirkt, weil ihr Gewinn seit Jahren ständig sinkt. Doch das ändert nichts daran, dass meine Liebe zu ihr von Jahr zu Jahr steigt - gerade wegen der Schwierigkeiten, die wir "ruhig zu ertragen" versuchen.




Mein Weihnachtsmarkt-Mädchen verkauft sieben Tage in der Woche von morgens bis abends liebe, kleine, gesammelte Schätze. Wir halten gerade in dieser Anspannung und Anstrengung zusamen, um all das "ruhig zu ertragen".


Früher war es mir fast nicht möglich, Innere oder Äußere Widrigkeiten "ruhig zu ertragen". Dass beispielsweise Bhagwan mir bei meiner demoralisierenden Einweihung am 2.2.1981 Frechheiten entgegen schleuderte, diese 'unangenehme-Manifestationen-der-anderen-euch-gegenüber' war mir schier unerträglich. Nicht nur, dass mir zur genauen Betrachtung bei Bhagwans Begegnung meine Brille abgenommen wurde, ohne die sich ein kurzsichtiger Mensch hilflos fühlt, nicht nur dass meinen Körper sein Leibwächter wie ein Paket in eine für Bhagwan bequeme Position brachte, dann sprach der Herr im Sessel:

"Sw Anand Erhard, Anand means bliss. Erhard means noble.

Misery always makes a person mean. A miserable person cannot be noble -- that is impossible. He has nothing to be noble for, he has nothing to share.
Misery maketh man mean.

He is just a black hole. He sucks people. Even his presence is enough to make people sick.

The miserable person goes on creating around himself a dark aura of misery, and because he is miserable he cannot forgive the world. There is no question of being grateful to existence; he cannot even forgive it. And I can understand. Why he forgive it? He is just a victim of unknown forces, he has been thrown into existence without his consent. Nobody has ever asked him. One day suddenly he finds himself here, surrounded by misery -- not only on the outside but on the inside too. He goes on living because he cannot gather enough courage to destroy himself, but he fantasizes destroying himself."



 Nach meiner Erinnerung, hat Bhagwan nicht von "destroy himself", sondern von "kill himself" geplaudert, doch das schien dem Schriftführer dieser Zeremonie vermutlich nicht schicklich für's Protokoll. Mir reichten Bhagwans Einsichten jedenfalls völlig, auch wenn der heilige Mann meinen aufkeimenden Zorn mit wohlwollenden Worten zu besänftigen begann. Doch davon vielleicht später, soweit mir die Begegnung mit dem bemerkenswerten Bhagwan vor mehr als 30 Jahren weiterer Erwähnung wert sein sollte.

Wert zu erwägen ist mir mit bald 65 Jahren allerdings die Lebenslehre Buddhas, wie Gurdjieffs darüber schreibt. Die Existenz lehrt mich nämlich

'unangenehmen-Manifestationen-der-anderen-euch-gegenüber' ruhig zu ertragen.



Jesus am Kreuz symbolisiert das christliche Martyrium, 'unangenehmen-Manifestationen-der-anderen-euch-gegenüber ruhig zu ertragen'.


Bhagwan ging es vermutlich ähnlich, der wohl keinen angenehmen Aufenthalt in verschiedenen US-Gefängnissen  erlitt. Jedenfalls drohte Bhagwan damals, bei "einem längeren Aufenthalt im Gefängnis seinen Körper zu verlassen." Das glaubten wohl weniger seine Wärter, dafür umso mehr seine Schüler, die ihm alles glaubten. Diese Glaubensübung nannte Bhagwan "Surrender". Seine Sekretärin Sheela zeigte ihr Surrender so superb, dass auch ihr nicht der bittere Weg ins Gefängnis wie dem heiligen Meister erspart blieb. Mir macht sowas leider keinen Spass.



Bhagwan und seine Sekretärin Ma Anand Sheela haben die amerikanischen Polizisten für ihre Akten eindrucksvoll in Szene gesetzt. Auf den Schildern steht: "SHERIFF'S OFFICE MULTNOMAH COUNTY ORE: CORRECTIONS DIVISION".



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Nachtrag: Was auch immer sich als Heiligkeit - egal ob Männlein oder Weiblein - sich zur Verbesserung unserer kurz-geschorenen Vernunft aufgebretzelt hat, jede und alles fällt der kommerziellen, industriellen, religiotischen Verwertung anheim. Von Bhagwan bleibt ein plüschiger Ponyhof in Poona, klimatisiert und kultiviert, mit Jesus vergoldet sich der Klerikal-Klüngel seine Kirchen und von Gurdjieff wie tausend anderen halbseidenen Heiligen lebt die emsige Kleimkrämer-Kunst. Dort kauft der Kunde esoterische Verbesserung, Verblendung, Verblödung. Hallelujah, OMMM, Amen .... 

 Geschäftstüchtige Inder feiern zum heutigen 81jährigen Geburtstags von Bhagwan ihren Meister in seinem original Outfit.




Zwei Kommentare zu diesem Blog-Beitrag motivieren mich zu einer weiteren Ergänzung. Eine meiner besten Bekannten, bald schon eine Freundin, wedelt hinter ihren blumigen Wörtchen mit pädagogischen Zeigefinger:

"Oshos Kommentar ist allerdings ein schöner Fingerzeig. Findest du nicht??"
 
 Eine andere Antwort erkennt einfach erstaunt an, dass sich jemand die Arbeit macht, seine Erfahrungen aufzuschreiben. Beiden sei Bhagwans Einweihungsrede für mich am 2.2.1981 in Poona geschuldet, als es dort noch nicht diesen plüschiger Ponyhof für gelangweilte touristische Sinn-Sucher  gab, sondern ein höllisch heißes Menschheitsexperiment. Bhagwan baute seine Versuchsanordnung in Poona wie in Rajneeshpuram auf und wieder ab. "What goes up, must come down."
 
Bhagwan meint also im weiteren zu seinen Schülern im allgemeinen und mir im besonderen:

"The miserable person also lacks courage. The reason is very clear: the miserable lacks courage because he hopes "Tomorrow, things may be different -- don't risk everything, wait for tomorrow! Who knows? Things may change, life may become beautiful"; hence he cannot risk, he cannot gamble. Only a blissful person can risk and gamble because he knows "What more can there be tomorrow?" He knows it cannot be improved upon, so there is no fear in risking it.

The miserable person cannot gather courage so he lives but his life is just flat, dull, dead. He cannot love, he cannot sing, he cannot dance; at the most he can only pretend. Even his pretensions cannot be very deep. Anybody who has a little bit of intelligence can see behind the mask. It is very easy to see tears behind people's smiles; they are smiling just to hide their tears -- there is no other reason. They are afraid if they don't smile they may start crying.

But up to now all the so-called religions have been praising poverty and misery. They have been calling the poor, the children of good, they been saying that the people who are exploited, oppressed will be rewarded greatly in heaven. This was just opium to keep them subdued, to make their lives a little more comfortable, a little more cosy. The so-called religions have been giving consolations to people, not revolutions.

That is not my function at all. I don't console anybody, in fact I do just the opposite: I tale away all your consolations, because your consolations are taken away and you are shown where you really are, there is no possibility of your ever becoming blissful.

Bliss is possible, but the misery has to be understood, not avoided, not escaped from, not rationalised away, not put into beautiful words, not hidden behind esoteric jargon. It has to be seen in its utter nudity. It hurts in the beginning, but only in the beginning. It is bitter; but once you see the point that if you really want to get rid of it, you have to understand the roots of it, the causes of it -- why you have chosen it, why you have become miserable... And once you see exactly the reasons of your misery it starts disappearing. It is almost like magic, you need not do anything to make disappear, you have just to see clearly. Your perception has to be absolutely clean, innocent, direct and penetrating.

When you have seen misery to its very core, suddenly you are out of it: the very seeing is freedom. And then bliss arises -- it is your nature. Misery is imposed from then outside, it is something learned; bliss is not learned, it is an explosion. It is finding your own inner sources of life, love, light.

When there is bliss there is dance, there is celebration -- and that dance makes one noble. And when you are so full naturally tend to share, for no purpose at all -- just for the sheer joy of sharing. when you have too much you want to give it. In fact one has to give it, otherwise it becomes a burden. When the flower is full of fragrance the fragrance has to be released to the winds. It is not a loss to the flower; it is a fulfillment.

Nobility has nothing to do with character; it has something to do with blissfulness. Nobility has nothing at all to do with birth -- because even kings are miserable, more miserable than anybody else. They are rich beggars, that's all, having beautiful facades, but behind the facades are all kinds of uglinesses.

Bliss is the only quality out of which nobility arises. Nobleness simply means the joy of giving, the joy of sharing, without even making the other feel obliged -- that is nobleness. You give and you also thank the person who has accepted your gift -- that is nobility. You thank him because he could have rejected it. He has been really good to you in that he accepted your gift, in that he heard your song, in that he paid a little attention to you, in that he received your love with welcome; in that when you had so much to give he has not closed, he was open, available. He danced with you, he laughed with you -- you are obliged!

When this process is triggered in one's being one starts feeling obliged to the whole existence: to the trees and to the rivers and to the mountains and to the stars. To me this is religion -- not going to the church or to a temple or to a mosque, not reading the Bible or Koran or Gita, not worshipping Krishna, Buddha, Mahavira, but getting into a deep , loving relationship with existence, offering oneself totally to existence. That is the only prayer I know of, and that's what nobility is all about.


Osho, Nirvana Now or Never #2, Darshan Diary, 2.2.1981"





Samstag, 1. Dezember 2012

Weihnachtsmarkt, existenzielles Encounter-Erlebnis

W'Markt ist das Kürzel für das Rattenrennen zu den "Fröhlichen Fresstagsfeiern".  "W" wie Weh! Das drückende Dunkel der Jahrzeit summiert sich mit dem illumminierenden Glühwein-Geschunkel abgehetzter Dienstleister und gefühlskalter Konsumenten.
 
 

Sonntag, 2. Dezember: Gestern online geschaltet, einen Tag später schon über 150 Zugriffe.


Fakten, wie immer und überall, sind überaus simpel: Unser Lebensstandard ist mit meiner Verrentung zum einen massiv überhöht, zum andern sind unsere Lebensgrundlagen damit massiv untergraben. Dreizig oder fünfunddreizig Jahre reichen - trotz zumeist guter Geldgewinnungslage als Angestellter - eben nicht aus, um die mehr als zweitausend Euro meiner letzten Bezüge aus Altersteilzeit auszugleichen. Die letzten von Arbeit befreiten achtzehn Monate mit diesem guten Geld werden also als die Goldenen Monate in meine Biografie eingehen. Was folgt, was jetzt folgt, ist unser gemeinsamer Lebenskampf auf niedrigerem Niveau. Von meiner Jugend-Macho-Herrlichkeit ist nicht viel mehr geblieben als demütiges Mühen als Gehilfe meiner Marktfrau. Dazu greift das Alter mit seinen gichtigen Krallen und seiner trotteslnden Tapsigkeit nach mir.


So schlimm wird es schon nicht werden, wenn Mima mit ihren Lebkuchen die Arbeit in der Weihnachtsmarkthütte versüßt.

Es versteht sich, dass das Leben mir meine Geschichtchen im Guten wie Bösen emotional überhöht. Wozu sonst schreibt man über die Dinge, ohne dafür Geld zu kassieren, wenn nicht zur Entlastung? Um solche Situation mit Humor zu nehmen, hilft G. I. Gurdjieff mit seiner unvergleichlichen Geschichte "Beelzebubs Erzählungen für seinen Enkel."



Wir genießen unsere letzten freien Wochenende vor dem anstrengenden  Weihnachtsmarkt-Geschäft. In München am Chinesischen Turm wie an gefühlten 50 anderen Orten drängen sich die Buden der Marktkaufleute.

Abfahrt zur Arbeit von München nach Bamberg, 250 Kilometer. Unsere beiden VW-Busse sind startbereit. Ihr Bus, die "Seekuh" ist voll gepackt, um unsere Zweitwohnung nahe dem Marktplatz Bamberg einzurichten. Mein VW-Bus, die "Walkuh", ein WoMo VW-Crafter, muss zum TÜV und zur Wartung, um für neue Abenteuer fit zu sein. Meine Ersparnisse vor der unausweichlichen Altersarmut reichen noch für ein paar Reisen.

Gepackt für den Abmarsch: Ein Abstecher noch nach Erlangen, um letzte Ware einzuladen, dann zur "Ferien"-Wohnung in Bamberg. 

Freitag, der 23. November

Aufstehen um 5.43 Uhr. So beginnt mein Leben als Gehilfe meiner kleinen Frau mit großem, liebenden Herzen und kleinem, mageren Marktfrauen-Einkommen. Sie hat viel Zeit im Jahr damit verbracht, ihr Tausenderlei für ihre vier mal zwei Meter kleine Markthütte einzukaufen, vorzubereiten, in kunstfertiger Handarbeit herzustellen und auf ihren Reisen mit mir  in Marokko, Litauen, Lettland und Tschechien preiswerter als hierzulande einzuhandeln. Aber diese auf Reisen erstandenen Kleinigkeiten sind kaum mehr als ein kleines Zubrot, eine Erinnerung. Das Motto meiner Marktfrau war, ist und bleibt: "Mühsam nährt sich das Eichhörnchen."



Wir genießen unsere wenigen freien Stunden in der romantischen Arbeitswohnung an der Regnitz, auch....


... auch wenn wir bis nach Weihnachten nun mit Bananenkartons es uns gemütlich machen müssen.

Samstag, der 24. November

Es braucht einige Zeit, sich in der gewohnten Wohnung einzuleben. Schlaflosigkeit bei zunehmendem Mond ist vorprogrammiert. Mein Marktweiblein hat gestern schon ihre "Seekuh", den VW-Transporter, mit der Hütteneinrichtung vollgeladen. Heute war uns das Wetter wohl gewogen. Es hat uns Spaß gemacht,  den Anhänger aus der Garage zu ziehen und mit den drei Bodenplatten, sowie den zehn Seitenteilen der Weihnachtsmarkthütte zu beladen. Wenn der Rohbau dann am Montag steht, schützt eine dicke Plastikplane als Dach uns und die Waren vor dem Wetter. Dass wir diesmal nach dem Totensonntag aufbauen, mindert den Umsatz um eine Woche. Doch mir reichen vier volle Wochen von morgens bis abends, selbst wenn mir meine Marktfrau nur Vertretungsstunden während der Mittags- und Nachmittagspause zuteilt. Meine Welt findet Vergnügen an Noten, Büchern, Buchstaben, Zeitungen, Filmen und viel Ruhe. Ein wenig Sport, Spiel und Spannung im Schwimmbad, der Sauna, ein Spaziergang ist auch noch ganz hübsch. Doch als Freund vieler Arbeit hat mich noch nie jemand gelobt - außer meiner Frau ab und an, die mir daher auch lieb und teuer ist. Wer will schon die Wahrheit über sich selbst wissen? Launige Lügen erleichtern das Leben.



Der letzte gemeinsame Sonntagsspaziergang vor den nächsten vier offenen Verkaufs-. In der Altstadt von Bamberg ist der Stadtplan seit etwa 400 Jahren unverändert geblieben. Mode und Technik wie Kommunikation und Verkehr haben sich dem Stand der Zeit angepasst.

Übel ist es nur, wenn das Leben uns auf unangenehme Wahrheit so stößt, wie man junge Hunde in ihren Auswurf  drückt, um sich einer sauberen Stube mit dem Vieh zu erfreuen. So fällt uns auf, dass ihr ur-ur-alter Anhänger lange TÜV fällig war. Nach längerem Sinnen dämmert es uns langsam, dass der Hänger schon vor 14 Monaten, im September 2011, beim TÜV hätte seinen Segen bekommen müssen. Voriges Jahr sind wir im Herbst durch Rumänien, Bulgarien, Griechenland, Albanien, Mazedonien, Serbien, Ungarn, Österreich gereist, dieses Jahr trieb es uns im Frühling durch Marokko, im Herbst durch Polen, Litauen, Lettland, Tschechien.



Bei keinem Bericht aus Bamberg darf das Bild des Alten Rathauses auf der Regnitz-Brücke fehlen. Das Bild sieht man häufiger als die Sonne im November.

Als ihr Flug sie von Marrakech zurück brachte nach München, fing gleich danach ihre Marktarbeit in einer kleinen Holzhütte am Straßenrand an. Im Frühling und Sommer verkauft mein Marktweib von morgens bis abends Spargel, Erd-, Heidel-, Himmel- und Brom-Beeren. Da ist uns beiden der Anhänger-TÜV durch das Raster der Erinnerung gefallen.


Schon am Sonntag ist der Marktplatz vollgestellt mit dem Budenzauber, aus dem sich in den kommenden Wochen die Besucher mit Glühwein, Bratwurst und Süßwaren stärken und hoffentlich auch Mimas Waren kaufen.

Dennoch erklärt mir Reisen mehr vom Leben als all die schlauen Bücher, Zeitungsartikel, Talkshows und Filme. Wie Handwerken in Essaouira, der Stadt der Winde an der Atlantikküste, Holz bearbeiten, um daraus schmucke Kästchen mit phantasievollen Einlagen zu verzieren, wie der Russe im Freilichtmuseum von Riga in Lettland mit sehnigen Händen Tag für Tag kleine Kreisel dreht, wie die Marktfrauen in der Schwarzmeer-Küstenstadt Constanta ihr Holzspielzeug preiswerter verkaufen als Großhändler hierzulande, das zeigt mir die Unerbittlichkeit, sein Brot zu erwerben, mehr noch, um seinen Lebensunterhalt zu kämpfen.



Um den Bedarf bei sinkenden Einkommen zu decken, überschwemmen Ein-Euro-Waren billigster Produktion den Markt. Der widerliche Wettbewerb weltweit gilt als "Cut-Throat-Competition".
 
"Und wenn es köstlich ist, war's Müh' und Arbeit...", tröstet ein sinniger Spruch. Jeder sieht sich von ähnlichen Ereignissen, Schicksalen umgeben. Der junge Mann, 13 Jahre nach mir geboren, der jedes Jahr bislang in den letzten 15 Jahren mit ungeheuer Kraft und unerschöpflicher Energie die Hütte mit aufgebaut hat, erstmalig ist er nicht mehr dabei, kann nicht mehr dabei sein. Krebs zehrt an seiner Lebenskraft und niemand weiß wie lange - noch.


Das Schicksal entscheidet, wie lange wir uns unseres Lebens erfreuen. Manchmal strengt es schon an, sich des Lebens zu freuen.

Das 87jährige Mütterchen lebt zwar in geordneten, warmen, sauberen Verhältnissen, doch ihr Gang zur Bushaltestelle 50 Meter vor der Tür fällt ihr schwerer und schwerer. Niemand kann helfen, wenn die Kernspin-Tomographie diagnostiziert, dass das Blut schlechter und schwerer das Gehirn versorgt. Schwindel und Taumel lassen jeden Schritt zur Gefahr werden zu stürzen. Man braucht viel, viel Mut, alt zu werden.


Die verwinkelten Gassen mit dem Kopfsteinpflaster über die Sieben Hügel von Bamberg sind für sehr alte Leute kaum mehr zu bewältigen.

Doch die Krähenfüße unseres Alterns spiegeln sich mir auch rund um die Lachfalten, die Augen meiner lieben Frau. Die Jahre lassen mich merken, wie meine Beine langsamer mich bewegen. Wie sind die leichtfüßigen Jungen zu bewundern, die geschwinden Schrittes an mir vorüber schweben, selbst sie sich noch mit reicher Beute an Einkaufstaschen beladen.



Wem der Weg zu beschwerlich wird, kann nicht mehr an den den sakralen Show-Einlagen der klang-, licht- und weihrauch durchfluteten Domhallen teil haben.

Das alte Mütterchen hingegen bewegt sich schwerer und schwerer in die belebend bewegende Warenwelt der Licht durchfluteten Kaufhäuser, um sich mit ihren bescheidenen Vorräten zu versorgen. Hilfe im Alter kann sich der kaufen, der dafür 26 Euro pro Stunde zahlt. Denn diese Fachkraft muss als Pfleger examiniert sein, um hilflose Greise stützen zu dürfen. Ehrenamtliche Hilfskräfte gibt es nur für wenige Glückliche, die diese Hilfe in der Lotterie des Lebens gewinnen.



Die Arbeit von Bauern, Handwerkern und Marktkaufleuten unterscheidet sich fundamental von der Verwaltungstätigkeit weltlicher und klerikaler Machthaber. Banken-Crash und Bauern-Kriege haben ähnliche Ursachen: Unmäßiges Wirtschaften verantwortungsloser Eliten.

"The winner takes it all..." tönt wie aus den US-Western, wo sich Siedler in ihren Wagenburgen gegen feindliche Ureinwohner wie gegen die feindliche Natur rücksichtslos zur Wehr setzen. Mittlerweile verlieren selbst einstige Gewinner, weil sie sich die Natur zum Feind machen.


Auch wenn der Anblick von Schlössern, Kathedralen, Bank- und Bahnhof-Palästen Menschen überwältigen soll, das Unrecht ungleich verteilter Lasten ist kriminell.

"The winner takes it all..."  ideologisieren die Neoliberalen Markt-Kapitalisten ihren gnadenlosen Gewinne gegen Mensch und Natur. Die Eliten in den Oberstübchen der Macht richten sich dergestalt gewichtig in den höchsten Etagen ein, bis die aufgetürmten Gewinngesellschaften krachend einstürzen. "Krieg den Palästen, Friede den Hütten!" Doch was uns hier Hütten sind, sind für Menschen aus den Ein-Dollar-Pro-Tag-Slums gleich ganz große Paläste.



Die klerikale Kirchenkunst am Dom zu Bamberg symbolisiert: "Eure Pfaffen, Politiker und Priester plündern Euch aus bis auf's letzte Hemd!"

Was chinesische, indische, arabische und wohl immer mehr auch europäische elende Arbeitsbedingungen in den Markt drücken, Plastikprodukte der Ein-Euro-Shops, produziert im "Cut-Throat-Competition", im gnadenlosen Wettbewerb. Es kommt mir vor, dass es keine andere existenzielle Wahrheit gibt als die, dass es nicht mehr zu verlieren und zu gewinnen gibt als sein Leben.

Wie lange sich persönlich die Anspannung von meiner Frau und mir noch aufrecht halten lässt, um zwei Autos und einen Anhänger zu finanzieren, lässt sich nicht absehen. Über alles lässt sich streiten, nur eins bleibt ganz gewiß ein Gemeinplatz: Nichts ist für immer. Also schließe man am besten in seinen schlaflosen Stunden die Augen, um zu sehen, was von allem bleibt: Herzschlag und Atem.


Die Eröffnungswoche des W'Marktes

"Einkaufen ist keine unschuldige Beschäftigung", mahnt ein bedächtiger Mensch, nachdem bei einer Fabrik in Bangladesch und im Schwarzwald in einer Behinderten-Werkstatt Menschen verbrannten. In Asien produzierten die Menschen T-Shirts, im Schwarzwald Autoteile. Konsum und Klimaerwärmung kommen zusammen.

 Experten warnen davor, den Ausstoß von Treibhausgasen zu steigern. Atiq Rahmann, Klimaexperte aus Bangladesch, warnte schon bei der ersten UN-Klimakonferenz in Berlin 1995 davor, dass sein Land unbewohnbar werde. Der Mann wütete weiter: "Dann werden wir mit unseren nassen Füßen in eure Wohnzimmer kommen."

Niemand wird in die Festung Europa, in die bewachten Ghettos der Reichen eindringen, wenn nicht mit List und Tücke oder brutaler Gewalt. Viele Konsumenten, die seit Jahren Einkommen zu Gunsten der Gewinnmargen der neoliberalen Umverteilung opfern mussten, kaufen geizig, gierig und geil die Waren, welche der Egoismus gnadenlos Mensch und Natur abverlangt. Wahrscheinlich ist es weniger Zynismus als schlicht Tatsache: Wenn Kinder in Asien nicht in Fabriken oder in Steinbrüchen ihren Reis mehr verdienen, dann verhungern sie eben. Erst Spenden wie an Arzneimitteln und Nahrung verringern die Kindersterblichkeit in Afrika, Asien, in Lateinamerika. Erst wer ausreichend ernährt und gewachsen ist, dem kann die Industrie Waffen verkaufen, auf dass sich die Massen mörderisch dezimieren. Vermutlich arbeitet aber der technische Fortschritt daran, die Kinder mit leichteren Waffen zu versorgen, dass auch die Kleinen wirksamer sich gegenseitig abschlachten.


Montag morgen: Der Rohbau der Weihnachtsmarkthütte steht. Das Dach ist über die Dachbalken gerollt und an den Seitenwänden befestigt. Der Regen kann kommen und er kommt auch pünktlich.

Freunde, welche vorab eine Fassung dieses kommenden Blog-Beitrags erhalten haben, begeistern mich mit ihren Kommentaren. Die meisten lesen den Blog oder sehen sich einige Bildchen an, ohne sich dazu zu äußern. Doch gute Freunde antworten - poetisch, psychologisch, praktisch, politisch, philosophisch, pädagogisch oder polemisch:

Poetisch:

a b z ä h l r e i m
ora et labora
hammer oder bohrer?
immer feste ran
und - d u - b i s t - dran



Psychologisch:

letzte lösung: du findest dich mit deiner altersarmut ab (die eher eine armut der fantasie ist) und tuckerst mit deinem womo durch weniger industrialisierte länder, in denen billige bazare und neidische blicke dir ein gefühl von reichtum vermitteln. deine unheilbare schwermut versülzt du dann weiterhin in hirnzersetzende pamphlete. vorteil = du brauchst nichts ändern

und jetzt hilf deiner fleißigen frau!


Polemisch:

ja nee iss klar
iss hart
Das drückende Dunkel des illuminierten Glühweins
piehs män


Priesterlich paternatlistisch:

Hör’ auf zu jammern!!!

Praktisch:


Die „trotteslnden Tapsigkeit“ ist doch eh nix Neues!


Politisch:

Yes, the winners take everything, without alternatives....they simply care a shit...and all with the assistance of corrupt and useless politicians....

Posttraumatisch:


Mein Rat: nimm den Kram nicht so ernst. Jesus war auch nur ne Art Gottes-Junkie mit einem lokalen Dachschaden. Warum soll man so einen nicht befeiern. Warum nicht mit dem verdammten Glühwein, den ich, norddeutsch und von gutem Weinanbau weit entfernt, auch sehr gerne trinke?


Patent der Poet:

'trottlig-tapsigkeit' des alters ist noch nicht zu verspüren, jedenfalls b e w u s s t nicht, dafür recht viel diverse scheißegalität. aber das wird ja wahrscheinlich gut so sein.

Pädagogisch philosophisch:


Markt ist gut. Lebendige Orte. Bin dieser Tage auf dem Tollwood beschäftig.


Sich zu kennen und andere zu kennen ist ein und dasselbe. Du kennst andere so weit, wie du dich selbst kennst.

Präsent, patent, potent:

deine tagebuch aehnlichen berichte sind deiner situation unangebracht depressiv. nicht dass du nicht mit vielem recht haettest, aber dein fokus ist hauptsaechlich auf die scheisse gerichtet. das tut dir glaub ich nicht gut.


Primitiv:
munich-sannyas-list] Re: Weihnachtsmarkt, existenzieller Erlebnis-Encounter    
Posted By:   azkia_yes
  Sat Dec 1, 2012 1:33 pm  |


hallo ....

habe gedacht der email adresse war eine andere,
n0by4you, jetzt, ist auch gelöscht,

habe geschaut in die
http://www.n0by.de/2/rst/AmericanBitch2.htm  sind immer noch die fotos von Bhagwan und Sheela, diese mal auf dem kopf, mit der gleiche text,

wie lange der Erhard verstehe nicht was respekt ist, auch nur in diese einfache sinn von eine foto, für mich hat nicht zu tun mit diese yahoo group,

love azkia



Existenzielles Encounter

Es ist meiner Erfahrung und Beobachtung nach, Illusion zu glauben, dass die Ereignisse und Ergebnisse eines Lebens zu steuern sind. Illusorisch die Ansicht: Abhängig von Einsatz, Anstrengung, Begabung soll das Leben Erfolge und Einsichten bringen gleich den Zinsen einer Kapitalanlage. Illusiorisch die Hoffnung, sein eigenes Humankapital hoch bis zum Ableben zu verzinsen, um später sechsstellige Summen für die Heimpflege vor seinem Sterben zahlen zu können. Wer am Ende täglich für schwindelnd hohe Preise gefüttert und gewindelt wird, hinterlässt seinen Erben, sofern es die gibt, den Rest.

Störstellen schlagen ein in jede berechnende Vorschau. Schockschwere Schläge weisen die Richtung, welche existenziell notwendig - und nicht individuell erwünscht, erfleht oder erbeten. Gerade die "Großen Guten Geister", einsichtig in Notwendigkeit, opfern sich auf dem Altar einer unbewußten Horde immer im "Auftrag des Herrn unterwegs", wie den Blues Brothers das Drehbuch vorschrieb.

 Im "Auftrag des Herrn" kommt Gutes wie Böses, Schädliches wie Nützliches, Tod, Geburt, Krankheit, Verderben, Alter, Lust und Einsicht. Gnade mag bei Bemühungen Bewußtsein rascher entwickeln als im dumpfen Sumpf geiz-gieriger Gewalt- und Genuss-Sucht. Solch moral-philosophische Ansichten bleiben paternalistischer Buchstabenbrei. Erkenntnis brennt nur eigenes Erleben, Erfahren - meist dazu schmerzhaft - ins Bewußtsein, ins Herz.


Religionsstifter wie Jesus oder Bhagwan opferten sich im Sinne unumgänglicher Notwendigkeit. Wie hilflos ihr heilsames Wirken vergeht, zeigt das Angebot für "Sex, Sinn-und-Soziales", welches Nonnen und Priester alter wie neuer Kirchen vermarkten. Wer sich gläubig übt, qualifiziert sich zur Meisterschaft. Gut geglaubt, ist schon die halbe Miete im Rüstzeug der Religioten. Schließlich investiert der Gläubige in überirdische Werte wie Erleuchtung, Himmelfahrt, No-Mind, Wiedergeburt in höherer Kaste oder einfach nur, um sich nach dem Tod an willfährigen Jungfrauen oder an einem Platz zu Rechten Gottes zu erfreuen. Dass Priester und Nonnen konkurrierender Kirchen wie Kesselflicker um Kunden keilen, versteht sich, weil jeder Vertreter seines  Kirchen-Clubs die "allein-selig-machende-Wahrheit" besitzt. Parole daher: Kampf den Ketzern!

Was fiebernde Frömmler und Kirchen-Kunden als "Gottes Lohn" erwarten, bleibt ebenso verwunderlich wie die Bunga-Bunga-Bumms-Burleske-Bordell-Betriebsamkeit der Polit-und-Managment-Eliten im Stil von Berlusconi. 

Zum Glück schlagen zwar viele, aber lange nicht alle Menschen mit abstrusen Übungen oder verqueren Vergnügunen ihre Zeit tot. Zahllose Menschen,  Musiker, Maler, Mystiker erfüllen existenziell erforderliche  Aufgaben ohne Rücksicht auf  Besitz, Erfolgsaussicht oder auf Gesundheit. Ihr Handeln im Einklang Innerer Einsicht und Stimmung ist dieser selteneren Spezies weit wichtiger, als wohlige Wörtchen zu erwarten. Solche Schön-Reden sind ohnehin meist dem Halt einer Gruppe geheuchelt, geschmeichelt, geschuldet sind. Was nicht echt, das zerstört existenzielles Encounter.

Wer sich an unangehmen Sätzchen schon stört, kennt es noch nicht: Existenzielles Encounter wie Krankheit, Armut, Alter und-oder Tod seiner geliebtesten Nächsten.

Lächerliche Wortklauberei, wenn die Polit-Eliten aus dem Armutsbericht Sätzchen streichen wie: "Die Privatvermögen sind in Deutschland ungleich verteilt." Die Debatte darüber ist ebenso wenig Polit-Encounter, wie für die Meisten die Welt nicht untergeht, wenn sie weniger und weniger haben. Encounter fängt an, wenn sich prekäre Massen mit der Polizei zu prügeln beginnen. Existenziell wird Encounter dann, wenn Tränengasschwaden Menschen das Augenlicht kostet oder das Leben. Das trifft zwar weder "Esotiker" in ihren Quatsch-Klubs, trifft auch keine Vorstadt-Musikanten in ihrer sozialen Matte, trifft auch keine erfolgreiche Dorf-Politesse gut vernetzt in ihren Schenk-Kreisen, das trifft eben nur den Menschen im Fadenkreuz der Front.

Ebenso hat nur der Antennen für das kollektiv Kommende, unabhängig individueller Interessenlage, der sich soweit sensibilisiert, dass er aus Ereignis-Rastern Netze knüpft mit seherischem Blick in die Zukunft. Wie auch immer ein verhetzter Mob mühende Mystiker in ihrer Magie beschimpft und verfolgt, ändert nichts. Mystiker sehen und verstehen die Zeit-Zeichen, schreiben und sprechen darüber. Manche verarbeiten Erkenntnis in Bildern, Liedern, Filmen oder Theatern. Bittere Botschaften von Vereinzelten finden nur wenige Menschen,  den Sinn der Sätze zu sehen. Gegen allgegenwärtiges gesellschaftliches Gekitzel wie in Auto-, Rad- oder Pferderennen, in Box- oder Fußballarenen, in der Dummheit theatralischer Unterhaltungsindustrie kann Kassandra im Dritten Jahrtausend nicht laut genug klagen.

Der besoffene Reigen um das Goldene Kalb, das Hölzerne Pferd vor den Mauern in Troja, übertönt alles.

Nach existenziellem Encounter wie verlorenen Welt-, Vietnam-, Iraq-, Afghanistan-Kriegen, nach Katastrophen, die Natur und-oder Technik über uns bringen, nach solch schweren Schocks ändert sich die Meinung der Herrschenden, die die herrschende Meinung machen. Jedenfalls für die Zeit des Wiederaufbau.